The Sign Bd. 1 Nur zu deiner Sicherheit
nehmen, sobald ich die Sachen in der neuen Wohnung ausgepackt hätte.
»Und wo wirst du zur Schule gehen?«, erkundigte sich Sandy. »Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, in Chicago zur Schule zu gehen. Da sind Leute bis rauf zu Rang zehn. Kannst du dir das vorstellen? Kids aus den oberen Rängen zusammen mit Mädchen wie uns! Wir kennen hier noch nicht mal jemand, der höher wäre als Rang fünf. Wenn ich an diese ganzen Jungs aus Rang zehn nur rankäme …« Sie verstummte. Ich warf einen Blick zu ihr rüber; sie lag auf dem Bett und starrte mit einem Lächeln im Gesicht an die Decke.
»Genug jetzt«, sagte ich. »Das Wohngebäude ist in demselben Distrikt, in dem wir früher gelebt haben. Also werde ich mit Mike und Derek zusammen auf die Daley gehen. Und, ja, da gibt es Leute aus sämtlichen Rängen – bis hoch zum zehnten. Als ob das irgendeinen Unterschied machen würde.«
»Das macht auf jeden Fall einen Unterschied«, beharrte Sandy. »Außerdem hast du dann Freunde, und ich hab keinen mehr.«
»Aber die Leute da sind nicht du, Sandy.« Ich setzte mich neben sie. »Versprichst du mir, dass du mich besuchen kommst?«
»Natürlich tu ich das.«
Gerade hatte sie begonnen, aufzuzählen, was wir alles unternehmen könnten, als Grandma uns unterbrach. »Nina, Mr Eskew ist hier, er würde jetzt gerne den Transit beladen. Es wird Zeit.«
Sandys Stiefvater hatte angeboten, uns beim Umzug zu helfen (auf das Drängen von Mrs Eskew hin, wie ich vermutete). Doch es gab eh nicht viel einzuladen. Nach einer Viertelstunde standen Sandy und ich mit Grandma und Dee am Straßenrand und warteten darauf, zum Express-Bahnhof gebracht zu werden. Grandpa war mit Mr Eskew schon vorausgefahren.
Als der Miet-Trannie um die Ecke gebogen kam, packte ich Sandy und hielt sie ganz fest. Sandy heulte, doch ich wagte es nicht. Dee beobachtete uns, und wenn ich jetzt nicht standhaft blieb, dann würde sie unweigerlich zusammenbrechen, genau wie ich. Ich musste also stark bleiben. Ich schob den Gedanken beiseite, dass eigentlich auch für mich jemand hätte stark sein können. Denn darauf könnte ich lange warten.
Ich steckte den Kopf zum Fenster raus und winkte Sandy zu, bis sie nur noch ein winziger Punkt in der Ferne war. Auf der Fahrt in die Stadt beachtete ich Grandmas und Dees Geschnattere so gut wie gar nicht. Ich wollte Ruhe … Stille … und mir endlich den Luxus gönnen, zu weinen. Doch nichts von alledem war möglich. Denn es gab viel zu viel zu tun.
***
Als wir beim Apartment ankamen, waren Mr Eskew und Grandpa bereits da. Zuvor hatten die Angestellten von der Gebäudeinstandhaltung die Sachen von Grandma und Grandpa verpackt und in eine größere Wohnung gebracht. Oder sollte ich besser sagen, sie haben sie dort fallen lassen. Die Wohnung wirkte jedenfalls eher wie eine Lagerhalle als wie ein Zuhause.
Ich half Sandys Dad dabei, seinen Trannie zu entladen. Ich hatte ihn nie besonders gemocht, vor allem nicht, wie er Sandy ansah, doch ich dankte ihm dennoch für seine Hilfe. Als ich ihn davonfahren sah, traf mich zum ersten Mal das ganze Ausmaß unserer Situation, und zwar mit voller Wucht. Ginnie war weg. Mein Leben würde nie wieder so sein wie früher.
***
Nach einem Abendessen, das aus Nussbutter-Sandwiches und Sojamilch bestand – Grandma war noch nicht einkaufen gewesen und das Kochcenter war auch noch nicht programmiert –, trieb Grandma uns alle dazu an, die Wohnung in Ordnung zu bringen. Ich packte gerade eine Kiste aus, auf der »Wohnzimmer« stand, als ich auf eine Handvoll Bücher stieß.
Ich drehte eines von ihnen immer wieder in meiner Hand. »Die vom B.O.S.S. haben uns sämtliche Bücher weggenommen«, sagte ich. »Ich verstehe immer noch nicht so recht, warum sie unser ganzes Zeug durchwühlt haben. Ginnie war doch keine Kriminelle, sie war das Opfer. Machen die das denn immer so?«
»Die machen, was immer sie wollen«, erwiderte Grandma.
»Du hättest nichts dagegen tun können«, meinte Grandpa. »Aber da war sowieso nichts zu finden, nicht wahr? Als hätte unsere arme Ginnie irgendwas zu verbergen gehabt.«
Grandma sagte nichts darauf, doch an ihrem Gesichtsausdruck erkannte ich, dass da was nicht stimmte, und ich hätte wirklich alles gegeben, um ihre Gedanken zu erfahren. Früher, wenn wir sie gemeinsam besuchten, waren Grandma und Ginnie manchmal in der Küche verschwunden, um unter vier Augen zu reden. Wahrscheinlich kam in ihnen nie der Verdacht auf, dass ich mitgekriegt haben
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