The Stand. Das letze Gefecht
Frannie. Keine Alkoholiker? Keine ledigen Mütter?
»Wie konntest du deinem Vater und mir so etwas antun?« fragte sie schließlich. »War es dieser Jesse?«
»Es war Jesse. Jesse ist der Vater.«
Carla zuckte zusammen, als sie das Wort hörte.
» Wie konntest du nur?« wiederholte Carla. »Wir haben uns größte Mühe gegeben, dich richtig zu erziehen. Dies ist einfach... einfach...«
Sie legte die Hände vors Gesicht und fing an zu weinen.
»Wie konntest du nur?« schrie sie erneut. »Ist das der Dank, nach allem, was wir für dich getan haben? Daß du hinausgehst und... und... es mit einem Jungen treibst wie eine läufige Hündin? Du ungezogenes Gör! Du ungezogenes Gör!«
Sie löste sich in Tränen auf, lehnte sich an den Kamin, um sich zu stützen, hielt eine Hand vor die Augen und strich mit der anderen unablässig über den grünen Stoff, mit dem das Album bespannt war. Die Großvateruhr tickte derweil gleichgültig.
»Mutter...«
»Sei still! Du hast genug gesagt!«
Frannie stand steif auf. Ihre Beine fühlten sich an wie Holz, aber das konnten sie nicht sein, weil sie zitterten. Auch in ihren Augen standen jetzt Tränen, aber sollten sie nur; sie wollte sich nicht noch einmal von diesem Zimmer besiegen lassen. »Ich gehe jetzt.«
»Du hast an unserem Tisch gegessen!« schrie Carla sie plötzlich an.
»Wir haben dich geliebt... dich unterstützt... und das haben wir jetzt davon. Ungezogenes Gör! Ungezogenes Gör!«
Frannie, vor Tränen fast blind, stolperte. Sie stieß mit dem rechten Fuß an ihren linken Knöchel. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel mit ausgebreiteten Armen hin. Sie schlug den Kopf am Kaffeetisch an und stieß mit einer Hand eine Blumenvase auf den Teppich. Die Vase zerschellte nicht, aber Wasser floß gluckernd heraus und verwandelte Mausgrau in Schiefergrau.
»Sieh dir das an!« kreischte Carla fast triumphierend. Die Tränen hatten schwarze Ringe unter ihre Augen gemalt und Spuren durch das Make-up gezogen. Sie sah entstellt und halb von Sinnen aus.
»Sieh dir das an, du hast den Teppich ruiniert, den Teppich deiner Großmutter...«
Sie saß benommen auf dem Boden und hielt sich den Kopf, weinte immer noch und wollte ihrer Mutter sagen, daß es nur Wasser war, aber inzwischen war sie vollkommen entnervt und nicht mehr sicher. War es nur Wasser? Oder Urin? Was?
Carla Goldsmith bewegte sich wieder mit der ihr eigenen unheimlichen Geschwindigkeit, riß die Vase hoch und hielt sie Frannie entgegen. »Was hast du als nächstes vor, Fräulein? Hast du vor, hierzubleiben? Glaubst du, wir ernähren dich und lassen dich hier wohnen, damit du es mit jedem in der Stadt treiben kannst? Wahrscheinlich. Aber nein! Nein! Das dulde ich nicht. Das dulde ich nicht! «.
»Ich will nicht hierbleiben«, murmelte Frannie. »Hast du das ernsthaft geglaubt?«
»Und wohin willst du? Zu ihm? Das bezweifle ich.«
»Wahrscheinlich zu Bobbi Rengarten in Dorchester oder zu Debbie Smith in Somersworth.« Frannie nahm sich langsam zusammen und stand auf. Sie weinte immer noch, wurde allmählich aber auch wütend. »Nicht, daß es dich etwas angehen würde.«
»Mich nichts angehen?« wiederholte Carla, die immer noch die Vase hielt. Ihr Gesicht war aschfahl. » Mich nichts angehen? Du undankbares kleines Flittchen !«
Sie schlug Frannie, und zwar fest. Frannies Kopf wurde nach hinten geschleudert. Sie hörte auf, ihn zu reiben, strich sich statt dessen über die Wange und sah ihre Mutter fassungslos an.
»Das ist der Dank dafür, daß wir dich auf eine gute Schule geschickt haben«, sagte Carla, die die Zähne zu einem unbarmherzigen und furchteinflößenden Grinsen entblößt hatte. »Jetzt wirst du nie deinen Abschluß machen. Wenn du ihn geheiratet hast...«
»Ich werde ihn nicht heiraten. Und ich werde das Studium nicht aufgeben. «
Carlas Augen wurden groß. Sie sah Frannie an, als hätte diese den Verstand verloren. »Wovon redest du? Eine Abtreibung? Möchtest du auch noch zur Mörderin werden, nicht nur zur Hure?«
»Ich werde das Kind bekommen. Ich muß das Frühjahrssemester ausfallen lassen, aber ich kann es nächsten Sommer beenden.«
»Und wovon willst du es beenden? Von meinem Geld? Wenn du das glaubst, mußt du dir etwas anderes überlegen. Ein modernes Mädchen wie du braucht wohl kaum die Unterstützung ihrer Eltern, oder?«
» Unterstützung könnte ich brauchen«, sagte Frannie leise. »Geld... nun, ich werde zurechtkommen.«
»Du hast nicht das kleinste bißchen
Weitere Kostenlose Bücher