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The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

Titel: The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shane O'Doherty
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würde.
    Es überraschte mich schon ein bisschen, weil ich ja jetzt Einzelheiten über zwei Einheiten wusste, nämlich die, die ich verließ und die, zu der ich jetzt ging, aber ich beklagte mich natürlich nicht. Lange ging man bei der IRA davon aus, dass ich viel mehr über die Waterside wusste, als es tatsächlich der Fall war.
    Der ausschlaggebende Umstand, der zu meiner Versetzung geführt hatte, war mein Wunsch, mit Sprengmitteln zu arbeiten, womit ich so gut wie allein dastand. Man betrachtete Freiwillige, die das wollten, als „verrückte Professoren“ oder als absolut wahnsinnig, weil Sprengstoffe, gleich ob kommerziell hergestellt oder selbst fabriziert, gefährlich und unberechenbar waren und manche IRA-Leute bereits das Leben gekostet hatten. Im Juni 1970 waren einige Provos aus Derry – Joe Coyle, Tommy Carlin und Tommy MacCool – bei einer vorzeitigen Explosion in Creggan getötet worden, und zwei von Tommy MacCools Kindern waren ebenfalls umgekommen. Daher waren nicht viele bereit, mit Sprengstoff zu arbeiten.
    Wenn sich die Versuchung schon gegen die Türglocke lehnt, braucht die Gelegenheit nur ein einziges Mal zu läuten, und dieses Glück hatte ich. Bevor ich auch nur eine vage Vorstellung davon hatte, wie Bomben funktionieren, bekam ich nämlich plötzlich eine ganz für mich allein. Zwei ältere Provos, die vorhatten, eine Bombe in meiner Nachbarschaft zu platzieren, kamen eines Abends völlig überraschend an meine Haustür. Glücklicherweise war ich es selbst, der ihnen öffnete, denn es waren erwachsene ältere Männer, und ich hätte meinen Eltern nur schwerlich erklären können, was sie von mir wollten. Sie hatten die Bombe in einer Schultertasche bei sich, waren aber nicht dazu gekommen, sie am Zielort unterzubringen und fragten mich nun, ob ich sie irgendwo lagern könnte, bis der Zielort besser zugänglich wäre.
    Ich war natürlich aufgeregt und begeistert von meinem Schicksal, weil ich jetzt Einblick in die geheime Welt der IRA und ihrer Aktionen bekam. Innerhalb von ein oder zwei Tagen würde diese Bombe hochgehen und die Aufmerksamkeit des ganzen Landes auf sich ziehen. Ich fragte die beiden nach der Funktionsweise, und sie erklärten mir, dass es eine ganz einfache mit einer Sicherungszündschnur war. Die Sicherung würde drei Minuten lang brennen und danach den Zünder auslösen. Sie zeigten mir auch das Ende der Sicherung, an dem mehrere Streichhölzer mit Klebeband befestigt waren. Man brauchte nur die Reibefläche einer Streichholzschachtel mit Druck an den Streichhölzern entlang zu ziehen, dann würden die Streichhölzer aufflammen und die Sicherung entzünden. Zur eigenen Sicherheit musste man darauf achten, dass die Streichhölzer kein Feuer fingen. Falls es aber zufällig doch passierte, musste man die sechs Fuß lange Sicherungsschnur durchschneiden oder den Zünder aus dem Sprengkörper herausziehen. Das alles erschien mir ganz klar und einleuchtend.
    Ich erklärte mich bereit, die Bombe an mich zu nehmen und zu verstecken, ließ mir aber zuvor alle Einzelheiten über den Zielort erklären. Allerdings war all das – mich mit der Bombe zuhause aufzusuchen, sie mir zur Lagerung zu hinterlassen und mir den Zielort anzugeben – gegen die „Nur-notwendige-Angaben“-Regel der Organisation, aber diese beiden Offiziere waren der Ansicht, dass Notwendigkeit die Mutter der Blankovollmacht war. So sah ich mich plötzlich von völliger Unwissenheit über IRA-Aktionen zu aktiver Beteiligung daran befördert. Ich nahm die Bombe vorsichtig in Empfang und versteckte sie auf dem Dachboden unserer Garage, die in einiger Entfernung hinter unserem Haus lag.
    Die beiden älteren IRA-Offiziere wollten, dass ich die Bombe nur zeitweilig aufbewahrte. Ich aber wollte die beiden nun überholen und die Bombe noch am selben Abend am vorgesehenen Ort ablegen. Ich brauchte sie ja nur dorthin zu schaffen, die Streichhölzer mit der Reibefläche zu entflammen, darauf zu warten, dass die Schnur mit dem Versprühen erster Funken ihre Entzündung anzeigte, und dann ganz schnell zu verschwinden.
    Mitten in der Nacht schlich ich aus meinem Zimmer hinaus zur Garage, um die Bombe herauszuholen. Ich trug sie über der Schulter durch Schatten und dunkle Gassen zum Zielort. Die Straßen waren völlig verlassen. Mein Herz schlug laut und schmerzhaft, als ich die Bombe in den Eingang des Gebäudes legte und mich anschickte, die Sicherungsschnur anzuzünden. Würde sie hochgehen und mich töten? Würde ich

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