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The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

Titel: The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shane O'Doherty
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irgendwelche Vorfälle von Waffenstillstandsverletzung durch die Armee beklagte. Umgekehrt konnte die Regierung die IRA-Befehlshaber telefonisch erreichen und verlangen, dass die IRA Vertrauensbrüche oder sonstige Probleme, die auf ihr Konto gingen, abstellte.
    Im Januar 1975 fand ein brisantes Treffen der Derry-Brigadeleitung statt, das rückblickend gesehen zu einer paradoxen Situation führte. Wir diskutierten bei diesem Treffen über die Schwachpunkte, die wir in dem Abkommen sahen. Der allergrößte war dabei immer noch die Tatsache, dass die schwerbewaffnete protestantische Royal Ulster Constabulary in den Waffenstillstands-Abmachungen keine Rolle spielte, und dass weder die britische Regierung noch die IRA ihr trauten. Womöglich musste man damit rechnen, dass die Polizei jede Gelegenheit wahrnahm, den Waffenstillstand zu brechen. Wir gingen jedenfalls davon aus, dass sie jegliche Abmachung zwischen der IRA und der britischen Regierung unweigerlich als Verrat an der Position der Protestanten in Ulster ansah.
    Die Frage war unter anderem, wie die Derry-Brigade reagieren sollte, falls die Polizei die Waffenstillstands-Abmachungen brach. Ich argumentierte hitzig dafür, dass man der Polizei für diesen Fall eines ganz gründlich zu verstehen geben müsse: Falls sie glaubte, sie könne uns übervorteilen, weil das Waffenstillstands-Abkommen der IRA die Hände band, dann würden wir ihnen eine ordentliche Lektion erteilen, indem wir den Gegenbeweis lieferten. Wenn man der Polizei keine Grenzen setzte, konnte keiner von uns jemals in Sicherheit leben. Ich konnte ja nicht ahnen, dass das Schicksal zuschlagen und ausgerechnet mich zum Opfer eines Waffenstillstandsbruches der Polizei machen würde ...!
    Es gab allerdings, wie mir mitgeteilt wurde, einen entscheidenden Pferdefuß: Fast alle anderen Volunteers der Derry-Brigade ließ man unbehelligt nach Hause zurückkehren, nur mich und ein in Derry bekanntes junges Mädchen nicht. Meine zwei Unzen Sprengstoff im Londoner Präsidentenwohnsitz Downing Street hielt man für heimtückischer als bloße tödliche Attacken anderer auf ein paar Briten in Nordirland. Und so musste ich mich wieder auf Unterschlupf-Wohnungen zurückziehen, wo ich erst noch umständlich erklären musste, dass die Abmachungen des Waffenstillstands zwar für alle anderen, aber nicht für mich galten. Viele bedeutende Republikaner und Leute mit militärischem Hintergrund trauten den Briten nicht so recht und fürchteten, dass es zu Massenverhaftungen kommen könnte. Diese Leute benutzten immer noch Unterschlupf-Wohnungen, und ich verbrachte den größten Teil meiner Zeit bei einem bekannten Republikaner in Derry. Er und ich trauten dem Waffenstillstand nicht mehr richtig, nachdem wir seinem Zuhause im Herzen der Bogside einen seltenen Besuch abstatteten, um mit seiner Mutter Tee zu trinken und ein bisschen zu plaudern. Aus Sicherheitsgründen verließen wir sie schon nach einer Viertelstunde, gingen die paar Schritte bis zum Ende der Straße und dann um die Ecke. Da standen plötzlich direkt vor uns drei Armee-Geländewagen, aus denen bewaffnete Soldaten heraussprangen. Zwei der Offiziere waren verblüfft, als sie uns erkannten, und wir waren genauso verblüfft, sie zu sehen. Sie schienen so aufgeregt, als hätten sie im nächsten Moment zwei Weihnachtsputer zu schlachten! Blitzschnell rasten wir die Straße zurück, in eine Gasse hinein und verschwanden in einem in der Nähe gelegenen Unterschlupf. Zwar verfolgten uns die Soldaten, aber es war ein Leichtes, sie abzuschütteln. Wir hielten es für wahrscheinlich, dass sie zwei bekannte Personen herausholen, die ganze Aktion als unbeabsichtigten Waffenstillstands-Bruch deklarieren und sich dann entschuldigen wollten.
    Obwohl ich so misstrauisch war, wünschte ich mir aber doch, dass der Waffenstillstand funktionierte. Meine Sprengstoff-Offiziere musste ich irgendwie beschäftigen, und um ihnen eine andere Art Tätigkeit zu verschaffen, überlegte ich mir etwas Nützliches für die Gemeinde, das sie mit mir zusammen tun konnten. Am oberen Ende der Beechwood Avenue standen Reihenhäuser, in denen Rentner wohnten, und mein Gedanke war, dass man diesen alten Leuten, deren Leben in den letzten sieben Jahren durch so viel Aufruhr belastet worden war, den Dienst erweisen konnte, über ihrer Haustür eine Alarmklingel oder ein Licht anzubringen. Dazu gäbe es dann viele Schalter und Knöpfe innerhalb des Hauses, die sie drücken konnten, um Hilfe

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