The Weepers - Wenn die Nacht Augen hat: Band 2 - Roman (German Edition)
alles in Ordnung. Ich bin ja hier.«
Da hörten wir ein leises Summen. Wir mussten direkt unter dem Zaun sein.
Wir krochen weiter, kamen aber langsamer voran als vorher, da Rachel immer wieder anhalten musste, um Atem zu holen. Ihre linke Hand zuckte.
Plötzlich fluchte Tyler vor mir, und ich erstarrte.
»Was ist?«, fragte Joshua hinter mir.
»Der Tunnel ist eingebrochen«, antwortete Tyler. »Wir müssen die Erde beiseiteschaffen.«
Himmel, wie sollten wir das nur anstellen? Hier war es so eng, dass wir uns kaum bewegen konnten.
Rachel atmete stoßweise. Hoffentlich hielt sie durch.
Der Tunnel war zu eng, um nebeneinander graben zu können, daher musste Tyler den Großteil der Arbeit erledigen. Mühsam schaffte er die Erde beiseite. Rachel schob sie zu mir, ich weiter an Joshua.
Nach 62 Minuten war der Tunnel freigeräumt.
Wir waren seit 88 Minuten im Tunnel.
5 280 Sekunden in endloser Dunkelheit.
Ein Lichtstrahl vor uns signalisierte das Ende des Tun nels. Wir krochen schneller, da wir es kaum erwarten konn ten, die Finsternis hinter uns zu lassen.
Rachel und Tyler verschwanden im Licht, das meine Augäpfel förmlich versengte. Ich schloss die Augen und brach auf dem heißen Boden zusammen. Innerhalb von Sekunden trocknete der Schlamm auf meiner Kleidung und auf meiner Haut, was sich anfühlte, als wäre sie plötzlich eine Nummer zu klein. Ich öffnete die Augen und blinzelte gegen den Schmerz an. Wir waren jenseits des Zauns – was sich gar nicht so anders anfühlte als vor her. Trockenes Gebüsch wuchs auf der ausgedörrten Erde vor uns. Das Summen des Zauns war nur noch ein lei ses, unaufhörliches Hintergrundgeräusch, das an unseren Nerven zerrte.
»Wir müssen uns irgendwo ausruhen«, sagte Tyler. »Wir dürfen nicht im Freien rumlaufen, sonst werden wir noch von den Hubschraubern entdeckt. Am besten verstecken wir uns bis zum Einbruch der Dunkelheit.« Tyler sah Rachel an. Sie lag auf dem Boden. Unter der Schlamm schicht war ihre Haut kränklich blass.
»Da drüben«, sagte Joshua und deutete auf eine kleine Ansammlung hüfthoher Büsche, deren halbvertrocknete Blätter halbwegs Schutz boten. Wir warteten, bis sich mit zunehmender Dunkelheit die Landschaft grau färbte, dann machten wir uns auf die Suche nach einer Wasch gelegenheit und etwas zu essen. Die Wasserflaschen waren fast leer – obwohl Rachel ihren Anteil verweigert hatte –, und das Knurren unserer Mägen übertönte sogar das Zirpen der Grillen.
Schlagartig erfüllte ein Brummen den Himmel. Ein Hubschrauber! Wir suchten in einem Busch Deckung, dessen Dornen mein Gesicht und meine Arme zerkratzten. Das Geräusch wurde lauter, dröhnte in meinen Ohren. Das letzte Mal, als wir einen Helikopter zu Gesicht bekommen hatten, waren wir in Jubel ausgebrochen. Jetzt hatten wir nur noch Angst.
Tylers Knie drückten in meinen Rücken. Rachels Kopf lag auf meiner Schulter. Ihr Körper strahlte eine Hitze aus, die mich selbst förmlich zum Schmelzen brachte.
Endlich war nichts mehr zu hören. Joshua spähte aus dem Gebüsch und suchte den Himmel ab. »Der Helikopter ist weg.« Er stand auf. »Die Luft ist rein.«
Ich klopfte mir die Kleidung ab, wobei trockene Schlammbrocken durch die Gegend flogen.
»Bis du sicher, dass wir in die richtige Richtung gehen?«, fragte Joshua.
Tyler sah sich um. Hier gab es nichts, woran er sich orientieren konnte. Bis auf Gebüsch, trockene Erde und den endlosen Himmel war weit und breit nichts zu se hen. »Ich … ich weiß nicht so recht«, sagte er und half Rachel hoch.
»Ich kann nicht …«, keuchte sie und ging wieder in die Knie. Tyler wollte sie erneut aufrichten, doch sie blieb schlaff in seinen Armen hängen.
Ich berührte ihre Stirn und zuckte zurück, so heiß war sie. Sie glühte fast. »Wir müssen Rast machen.«
»Aber hier können wir uns nirgendwo verstecken.« Joshua sah sich um. Außer Büschen, verdorrten Bäumen und einem ausgebrannten Haus war nichts zu erken nen. Joshua sah mich an, und bei dem Ausdruck in seinen Augen bekam ich ein mulmiges Gefühl im Magen.
Tyler legte Rachels Kopf in seinen Schoß und wischte mit den Ärmeln Schweiß und Schmutz aus ihrem Gesicht. Sie öffnete die Augen und schenkte ihm ein schwaches Lächeln. Es war besser, sie einen Augenblick allein zu lassen.
»Sehen wir doch mal, ob wir was zu essen auftreiben können«, sagte ich zu Joshua und nahm seine Hand. Schnell hustete ich, bevor er bemerkte, dass mir jeden Augenblick die Stimme
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