The Weepers - Wenn die Nacht Augen hat: Band 2 - Roman (German Edition)
Fenstern.
»Sind das die Wissenschaftler?«, flüsterte ich.
Joshua ließ den Bus nicht aus den Augen. »Wahrschein lich. Anscheinend dürfen sie ihre Quartiere nur für die Arbeit im Labor verlassen.«
»Wie Gefangene«, sagte Tyler.
Wie sollten wir so an Joshuas Dad rankommen?
Das Eisentor schloss sich hinter dem Bus. Wir konnten nichts anderes tun als weiter die Wachen zu beobachten und auf den Sonnenuntergang zu warten. Im Schutze der Dunkelheit konnten wir uns wahrscheinlich unge sehen anschleichen.
»Sollen wir mal einen Blick riskieren?«, fragte ich.
»Das ist zu gefährlich für dich. Warte hier. Ich werde mich mal umsehen«, sagte Joshua herablassend.
»Nein«, sagte ich frustriert. »Wir machen das gemeinsam. Wenn wir uns solange ducken, bis die Wachen woanders hinsehen, können wir es zum Zaun schaffen.« Ich sah Tyler an, der zustimmend nickte.
»Wie du meinst«, sagte Joshua und kroch auf die Straße zu. Wir folgten ihm.
Wut packte mich und das Adrenalin rauschte durch meine Adern.
Eine Wache holte eine Zigarettenschachtel hervor und bot seinem Kollegen eine an. Sie stellten sich neben einander und senkten die Köpfe, um sich die Zigaretten anzuzünden.
»Jetzt!«, zischte Joshua. Wir rannten über die Straße und warfen uns auf der anderen Seite auf den Boden. Langsam robbten wir durch das Gras. Meine Ellbogen schmerzten, meine Kleidung wurde feucht. Inzwischen war die Sonne vollständig hinter dem Horizont verschwunden und die Dunkelheit verbarg uns vor neugierigen Blicken.
Vom Boden aus wirkte die Mauer unglaublich hoch. Jetzt war auch ein elektrisches Knistern zu hören, das mir die Nackenhaare aufstellte. Ein durchdringender Gestank erinnerte mich an einen Hundezwinger. Ich bekam Gänsehaut. Genau so rochen die Weepers.
Joshua starrte auf etwas in der Entfernung. »Der Bereich da vorne ist nicht so stark bewacht wie der übrige Komplex. Ich sehe mich mal um. Wartet hier.« Er war davongekrochen, bevor ich überhaupt protestieren konnte.
»Ich komme mit. Du auch?«, fragte ich Tyler.
Er nickte. Schnell richteten wir uns auf, wobei wir achtgaben, dass uns die Soldaten nicht bemerkten, und rannten hinter Joshua her. Als wir ihn fast erreicht hatten, blieb er stehen und drehte sich um.
»Ihr solltet doch auf mich warten«, zischte er. »Das hier ist viel zu gefährlich.«
»Du wirst das nicht alleine durchziehen«, sagte ich entschlossen.
Er wollte gerade etwas erwidern, als uns helles Licht blendete. Joshua zog mich mit sich zu Boden.
»Was zum Teufel?«, flüsterte Tyler, der flach im Gras lag.
Ich blinzelte. Die großen Suchscheinwerfer, die hinter der Mauer aufragten, kamen quietschend zum Stillstand.
»Identifizieren Sie sich!«, rief eine Männerstimme.
Ich hob den Kopf. Zwei Soldaten kamen auf uns zu. Joshua nahm meine Hand, zog mich hoch und zerrte mich davon. Tyler rannte vor uns.
Wir flohen über die Straße und in den Wald, bahnten uns einen Weg durch Bäume und Gestrüpp, sprangen über verrottete Stämme. Die Schüsse, die ertönten, klangen sehr seltsam: ein tiefes Plopp , gefolgt von einem merkwürdigen Zischen.
Womit feuerten sie da auf uns?
Auf dem feuchten Erdboden kamen wir nur mühsam voran. Hinter uns waren Schreie zu hören. Sie klangen wie Befehle, doch die einzelnen Worte konnte ich nicht verstehen.
Joshua zog mich tiefer in den Wald, weg von den Wohnquartieren. Mit einem Übelkeit erregenden Gefühl der Panik bemerkte ich, dass wir Tyler verloren hatten. Äste knackten hinter uns, von allen Seiten ertönten Rufe. Etwas schoss an meinem Ohr vorbei und bohrte sich nur wenige Meter von mir in einen Baum. Joshuas Griff war schmerzhaft, und er lief so schnell, dass ich kaum mithalten konnte. Immerhin wurden die Rufe langsam leiser.
Dann traf mich etwas direkt zwischen den Schulterblättern in den Rücken. Schmerz fuhr mir in den Nacken und die Beine, sodass ich ins Straucheln geriet. Kälte breitete sich in meinen Adern aus und ließ nur ein taubes Gefühl zurück. Ich griff hinter mich. Meine Finger berührten etwas Weiches. Ich zog es heraus – ein brauner Betäubungspfeil mit hellroter Spitze. Ich taumelte zurück und verlor das Gleichgewicht. Die Bäume wogten hin und her wie ein Kornfeld im Wind.
Joshuas Hände schlossen sich um meine Oberarme.
Schwarze, blaue und rote Punkte tanzten vor meinen Augen. Mit jedem Blinzeln schienen sie sich zu vervielfachen.
»Scheiße, Sherry. Bleib bei mir. Sag was.«
»Ich …« Mein Mund war wie ausgedörrt.
Weitere Kostenlose Bücher