Themiskyra – Die Suche (Band 3) (German Edition)
wäre dir dankbar, wenn du nicht über meine Vergangenheit sprechen würdest. Um genau zu sein, nicht über meinen Vater. Die offizielle Version lautet, dass ich hier zur Schule gegangen bin und solange bei Verwandten gewohnt habe. Ich will nicht, dass du wegen mir lügen musst, aber vielleicht können wir das Thema einfach vermeiden.“
„Geht klar.“ Überrascht registrierte ich Vernes schlichte Akzeptanz. „Heutzutage hat jeder Geheimnisse. Es ist besser, wenn man das Meiste gar nicht weiß“, erklärte er mit einem Achselzucken.
„In diesem Fall ist es wirklich sicherer.“
„Du hast eine leichte Gehirnerschütterung vom Sturz“, vernahm ich Munins Diagnose. „Gib ein paar Tage Ruhe, dann bist du wie neu.“
Ces bedankte sich und wirkte vollkommen erstaunt, dass es das gewesen sein sollte.
„Ihr solltet auf jeden Fall für heute Nacht hierbleiben“, meinte Verne. „Ich glaube nicht, dass dein Freund schon fit genug ist, um heute nochmal aufzubrechen.“
„Wenn ihr Platz für uns habt, bleiben wir gerne“, entschied ich nach einem Blick auf Ces, der immer noch recht benommen wirkte.
Munin machte eine ausladende Handbewegung. „Also, wenn wir was haben, dann ist das Platz.“
Während er seine Gerätschaften zusammenpackte und Cesare seinen schmerzenden Kopf wieder auf den Superschnäppchen-Tisch bettete, folgte ich Verne zurück in die Halle mit dem Rolltor, die wohl mal das Warenannahmelager gewesen war und jetzt als Remise und Stall diente. Wir versorgten die Pferde, sperrten sie danach jedoch nicht zu den anderen Pferden in die Boxen, sondern ließen sie im Hof grasen, da sie einigen Nachholbedarf hatten.
„Sind sie hier sicher?“
„Keine Sorge, wir haben das Haupttor zum Hinterhof geschlossen. Außerdem hält immer einer von uns Wache.“
Mit Gepäck beladen kehrten wir in die ehemalige Sonderpreis- und Geschenkeabteilung zurück und sammelten Ces ein, der sich soweit erholt hatte, dass er den Aufstieg in die obere Etage schaffte, wenn auch langsam und mit einigen Pausen.
„Danke, dass du mich von da weggebracht hast“, sagte Ces beim Halt auf einem Treppenabsatz leise zu mir.
„Danke, dass du nicht gestorben bist“, erwiderte ich lapidar. „Und danke, dass du vorausgeritten bist – sonst hätte wahrscheinlich ich den Splitter abbekommen.“ Nur dass er bei mir wahrscheinlich eine andere Stelle getroffen hätte, weil ich kleiner bin … Mein Gesicht. Oder meine Halsschlagader. Ich schluckte.
„Du weißt doch, dass das meine Aufgabe ist.“
Ich zog ein Gesicht, diesmal jedoch nur halbherzig.
„Erstes Geschoss – Damenkonfektion“, ließ Verne verlauten.
Lichtschein drang aus der Verkaufsetage in den kargen Flur des Treppenhauses. Wir folgten ihm und gelangten in einen weiteren riesigen, leergeplünderten Raum mit unzähligen Kleiderstangen und Regalen. Weiße, nackte Schaufensterpuppen, die in affektierten Posen eingefroren waren, standen der Größe nach sortiert in einer endlosen Reihe. Der st arre, lauernde Blick aus ihren toten, langbewimperten Augen jagte mir einen Schauder über den Rücken.
Weibliches Gelächter lenkte meine Aufmerksamkeit zur Bistroecke. Dort hatten sich einst, abgetrennt durch eine Wand von künstlichen Palmen, konsummüde Männer einen Espresso genehmigen können, während ihre Frauen unermüdlich Schuh um Schuh anprobiert hatten. Offenbar hatte niemand die cremefarbenen Kunstledermöbel, die Alutischchen oder die breite Theke für einen Diebstahl als wertvoll genug erachtet. An der Wand lehnten ein paar kleine Magnettafeln, an denen diverse Papiere und Stadtpläne hingen, fixiert durch bunte Magnetbuchstaben und -zahlen, die die Neristas wohl aus der Spielwarenabteilung entliehen hatten.
Mehrere in verschiedenartigen Leuchtern angebrachte Kerzen auf dem Tresen warfen ihr warmes Licht auf die beiden Frauen, die es sich in zwei Sesseln bequem gemacht hatten, Chiara und eine dunkel gekleidete, hochgewachsene Frau Mitte Zwanzig mit milchkaffeebrauner Haut und schulterlangen Korkenzieherlocken. Sie musterte uns etwas verhalten, aber nicht unfreundlich.
Verne stellte uns vor. „Und das hier ist Nia. Sie gehört auch zu den Arkadiern.“
„Arkadier?“, fragte ich nach.
„Nach dem Kaufhaus. Der Name bot sich an, nachdem wir hier eingezogen waren. Setzt euch doch.“
„Wollt ihr Tee?“, fragte Chiara.
Ich wollte definitiv, außerdem war ich am Verhungern, aber ich wollte nicht unbescheiden sein, also nickte ich nur dankbar. „Ist das
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