Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
nein, Theo. Fang ganz am Anfang an und lass dir Zeit. Wir haben keine Eile. Judge hat keine Eile. Wir müssen viele Stunden totschlagen.«
Also versuchte Theo es erneut. Er begann damit, wie Trupp 1440 mit dem Bus zum Lake Marlo aufgebrochen war und erwähnte jedes kleine und große Detail, an das er sich erinnern konnte. Ike nickte dazu und lächelte. Guter Junge.
» So, Theo, wir hatten hier in Strattenburg vor Kurzem einen großen Mordprozess«, sagte Ike, als Theo mit der Schlangengeschichte fertig war. » Wie hieß der Mann noch?«
» Pete Duffy.«
» Richtig, so war’s. Mr. Pete Duffy, des Mordes an seiner Ehefrau angeklagt, stimmt’s?«
» Stimmt.«
» Dann erzähl mir die Geschichte und fang mit dem Mord an. Wie hat die Polizei die Leiche gefunden? Du hast doch den Prozess verfolgt.«
» Habe ich.«
» Gut. Erzähl mir davon.«
Theo setzte sich auf den anderen Stuhl und zog die Knie an die Brust. Der Mordfall Pete Duffy war eines seiner Lieblingsthemen, und er redete ewig darüber, zumindest kam es ihm so vor. Von Zeit zu Zeit warf er einen Blick auf Judge, der ganz still und bewegungslos dalag. Manchmal sah er Ike an, der hellwach wirkte, die Wand fixierte und gelegentlich nickte. Ab und zu spähte Star durch die offene Tür, immer mit einem Lächeln auf den Lippen, weil sie im Zimmer ein paar Türen weiter mitgehört hatte.
Als er mit dem letzten Kapitel der Duffy-Story fertig war, hatte Ike schon eine neue Idee. » Weißt du noch, wie wir April Finnemore gerettet haben, nur wir beide?«
» Natürlich weiß ich das, Ike. Wie könnte ich das vergessen?«
» Gut, dann erzähl mir das noch einmal.«
» Jetzt bist du dran, Ike. Du warst schließlich dabei.«
» Na gut«, sagte Ike. » Wenn ich mich recht erinnere, verschwand deine Freundin April eines Abends, als sie allein zu Hause war, aus ihrem Zimmer.« Ike erhob sich und streckte die Beine aus. Er legte ein paar schnelle Kniebeugen hin, knackste mit den Knöcheln, und als das Blut wieder zirkulierte, begann er mit der Geschichte. Theo ergänzte immer wieder Details, zuerst nur einige wenige, aber nach zwanzig Minuten erzählten beide im Wechsel ihre abenteuerliche Suche nach April.
Gegen Mitternacht brachte Star ihnen Flaschen mit kaltem Wasser und sah kurz nach dem Patienten. Judge atmete, war aber nicht bei Bewusstsein.
» Star«, sagte Ike, » wir erzählen gerade Geschichten. Wollen Sie mitmachen? Sie können sich aussuchen, was Sie wollen. Judge ist nicht wählerisch. Er hört nur gern Stimmen.«
Theo interessierte sich vor allem dafür, wie sie zu ihrem Nasenring gekommen war, aber darüber wollte sie wahrscheinlich nicht reden.
» Ich überlege es mir«, erwiderte Star. » Bin gleich wieder da.«
» Wahrscheinlich erzählt sie nicht so gern Geschichten«, murmelte Ike. » Theo, was ist mit der Geschichte, wie jemand deinen Spind aufgebrochen und dort Diebesgut versteckt hatte? Die Polizei stand kurz davor, dich festzunehmen. Das war erst vor ein paar Monaten, stimmt’s?«
» Das vergesse ich nie.«
» Und deine Fahrradreifen wurden ständig aufgeschlitzt.«
» Richtig.«
» Hochinteressant. Erzähl mir und Judge die Geschichte noch einmal.«
Theo war plötzlich müde. Er war körperlich erschöpft und brauchte Schlaf, und nach dem Wechselbad der Gefühle fühlte er sich innerlich leer. Er stand auf, machte wie Ike ein paar Kniebeugen und begann, von der beängstigenden Zeit zu erzählen, als er einer Straftat beschuldigt wurde und fast im Gefängnis gelandet wäre. Ike war auch bei dieser Geschichte dabeigewesen und ergänzte immer wieder ein paar Einzelheiten.
Das Geplapper ging weiter, und ein paar Türen weiter hörte Star belustigt mit. Gegen zwei Uhr morgens wurde es im Untersuchungszimmer still, und Star warf einen Blick durch den Türspalt. Theo hatte sich auf einem Schlafsack, den ihm sein Vater gebracht hatte, in einer Ecke in einer höchst unbequemen Stellung zusammengerollt und schlief. Ike war es irgendwie gelungen, auf dem Stuhl sitzend mit hochgelegten Füßen einzudösen.
Sie schlich sich ins Zimmer und legte die Hand auf Judges Körper. Sein Herz schlug noch.
Die Ermittler der Polizei trafen früh am Samstagmorgen in Dr. Kohls Praxis ein. Dr. Kohl war noch nicht da, aber Star schloss die Tür auf und ließ die Beamten herein. Sie unterhielten sich eine Viertelstunde mit Theo und gingen dann wieder. Hardie und Woody sollten noch am selben Morgen befragt werden. Theo erfuhr, dass die Vermesser verschwunden
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