Theodor: Im Zeichen des Bösen (German Edition)
er die Holzstufen nur an der äußersten Kante, um ein Knarren zu vermeiden. Stufe für Stufe tastete er sich langsam nach oben, wobei er seine Taschenlampe nur ab und zu anzuknipsen brauchte, da nach jeder Viertel Wendung eine kleine halbrunde Öffnung in dem Mauerwerk ausgelassen worden war. Das grelle Licht der Blitze warf immer wieder einen kurzen Lichtstrahl durch diese Öffnungen.
Mit jeder Wendung, die er vor sich hatte, rechnete er mit dem Landstreicher.
Bis auf den Wind, der stürmisch durch die Öffnungen pfiff, konnte er aber keine weiteren Geräusche innerhalb des Turmes ausmachen.
Fünf Minuten waren vergangen, seitdem er sich von Wesley getrennt hatte und die letzte Wendung lag nun vor ihm. Er verlangsamte seine Schritte.
Plötzlich zuckte er zusammen.
Eine Gestalt stand am Geländer. Sie hatte den Rücken zu ihm gewandt und wurde nur für einen kurzen Augenblick von einem hellen Blitz erleuchtet.
Erschrocken darüber strich er mit den Fingern über sein Amulett und kniff die Augen ein wenig zusammen, um die Person besser fixieren zu können. Sie schien sich gegen die Brüstung zu lehnen und dem Naturschauspiel alle Aufmerksamkeit zu widmen. Außer den Haaren, die von dem Sturm hin und her geweht wurden, bewegte sie sich nicht. Etwas an der Gestalt kam ihm bekannt vor.
„SCARLIET“, versuchte er das Getöse zu übertönen.
Keine Regung, nichts. Nach wie vor starrte die fremde Person auf das Gewitter. Auf alles gefasst näherte er sich ihr mit langsamen Schritten; die Taschenlampe zum Hieb ausgeholt.
„SCARLIET!“, rief er um einiges lauter, doch das Peitschen des Regens und das Dröhnen des Donners erstickte seinen Ruf. Er war nur noch zwei Schritte von ihr entfernt und musste doch spätestens jetzt gehört werden.
Henriece wollte ein drittes Mal ansetzen und den Namen ausschreien, besann sich aber anders, als unweit des Turmes ein Blitz die Nacht für Augenblicke zum Tag erhellte. Der Hinterkopf und der Nacken, sowie der Hemdkragen war blutrot gefärbt. Er knipste die Lampe an und ließ den Lichtkegel an der Person entlang gleiten.
Nein... das darf nicht wahr sein!
„Ron!“, entfuhr es ihm und packte ihn an der Schulter, um ihn herumzureißen. Keinen Millimeter brachte er ihn von der Stelle. Die einzige Regung war, dass der Kopf nach vorne fiel.
Vorsichtig beugte sich Henriece an ihm vorbei.
Rons Hände lagen flach auf der Holzbrüstung und in jeder Hand steckte ein Zimmermannsnagel.
„Jahwe sebetia – Gott vergib“, flüsterte Henriece, als er in das zerschundene Gesicht blickte.
Ihm würgte es. Angewidert richtete er sich auf, erhob seinen Blick gegen den Himmel und schrie aus vollem Hals, wobei er seine Arme zum Gebet auseinanderbreitete:
„EL ATI, CHAVAJOT SEMHAMORAS VAY VAY AZIA THEODOR RABUR BATHSASDAR. Ihr Dämonen der Finsternis! Ich fordere auf, Theodor, Rabur Bathsasdar.“
Kaum hatte er die Worte dem Sturm entgegen gebrüllt, schien sich das Unwetter für Augenblicke zu vervielfachen. Eine Windböe mit orkanartigem Ausmaß drängte ihn zurück.
„GOTT IST MIT MIR!“, schrie Henriece, indem er sich sein Amulett vom Hals riss und es dem Sturm entgegenstreckte.
Die Windböe flachte ab, rückwärts stieg er die ersten beiden Stufen hinab. Plötzlich zuckte ein Blitz in der Nähe des Turmes vorbei und teilte sich in mehrere Strahlen.
Einer davon traf Rons Körper, der mehrmals durchgerüttelt und dann einfach weggeschleudert wurde. Zurück blieben seine Hände; verkohlt hingen sie an den Zimmermannsnägeln, deren Stahl für einige Sekunden aufglühte.
Sein Herz raste. Schweiß rann ihm über das Gesicht. Henriece drehte sich und floh. Bloß weg hier! Ron... man, was passiert noch?
Anfangs langsam, dann immer schneller werdend rannte er weg von diesem grauenvollen Ort.
Vor der letzten Wendung verringerte er sein Tempo und stieg die letzten Stufen etwas gelassener hinab. Auf keinen Fall wollte er, dass Wesley seine Angst erkannte.
Soll ich ihm etwas sagen? Oder besser nicht?
Von Wesley jedoch war nicht die Spur!
Als er den Holzverschlag ableuchtete, sah er das Vorhängeschloss auf dem Boden liegen, die Tür war nur angelehnt. Zögernd zog er sie auf, stellte sich so, dass er erst durch einen Spalt in das Dahinterliegende spähen konnte, bevor er durch die Öffnung hindurchtrat.
Eine Steintreppe, die geradlinig nach unten führte. Kalte moderige Luft verdrängte den Sauerstoff derartig, dass ihm der Atem stockte.
Auf den Stufen bemerkte er kleine weiße
Weitere Kostenlose Bücher