Thunderhead - Schlucht des Verderbens
Unglück geschähe. Ein lautes Klirren hallte durch das Tal, als Sloane hoch oben in der Wand mit ihrem Hammer einen Haken in den tiefroten Felsen schlug. Nachdem sie daran ein Stück Strickleiter befestigt hatte, seilte sie sich mit raschen geübten Bewegungen drei Meter weit ab, um den nächsten Haken anzubringen.
Für den Betrieb der Funkgeräte und des Empfängers für den Wetterbericht musste es eine Möglichkeit geben, auf den hoch über Quivira gelegenen Canon-Rand zu gelangen. Zwei Stunden zuvor hatten Nora und Sloane dafür die niedrigste und gleichzeitig am leichtesten zu erkletternde Stelle in den Klippen ausgesucht, die sich direkt neben dem Alkoven von Quivira befand.
Auch wenn der Anstieg zu diesem Kommunikationsposten einfacher war als bei anderen Routen, konnte er einem ungeübten Kletterer dennoch große Angst einjagen. Während Nora den gefährlich aussehenden Überhang ein paar Meter vor dem Canon-Rand betrachtet und dabei ein bedrücktes Gesicht gemacht hatte, war Sloane bester Dinge gewesen. »Schwierigkeitsgrad sieben minus«, hatte sie lächelnd gesagt. »Nicht allzu schwer also. Sehen Sie die Risse in der Wand, die sich fast bis ganz nach oben durchziehen? Die sind eine hervorragende Hilfe beim Klettern.«
Eine Stunde später hatte sie unter den skeptischen Blicken der anderen mit einem bergsteigerischen Bravourstück bewiesen, dass sie die Wand richtig eingeschätzt hatte. Sloane hatte ein Seil heruntergelassen und die Funkausrüstung nach oben gezogen, und jetzt seilte sie sich wieder zu der Felsterrasse vor dem Alkoven von Quivira ab und befestigte dabei mehrere Strickleitern an der Wand.
»Gut gemacht«, sagte Nora, als Sloane wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Die anderen spendeten ihr ebenfalls Applaus.
Sloane zuckte zwar lächelnd mit den Achseln, doch sie genoss das Lob sichtlich. »Wenn die Wand drei Meter höher gewesen wäre, wären mir die Strickleitern ausgegangen. Und wie steht es mit Ihnen, Aaron und Peter? Sind Sie bereit?«
Holroyd blickte die Klippe hinauf und schluckte. »Ich schätze doch.«
»Kann mir vielleicht mal jemand erklären, weshalb ich bei diesem Kletterabenteuer Kopf und Kragen riskieren soll?«, protestierte Black. »Ich habe hier viel Wichtigeres zu tun.«
»Sie riskieren überhaupt nichts«, sagte Sloane und ließ ihr tief klingendes Lachen ertönen. »Meine Haken halten bombensicher.«
»Es ist leider Ihr Pech, dass Sie schon auf so vielen Expeditionen mit von der Partie waren und sich deshalb besonders gut mit Funkgeräten auskennen«, meinte Nora. »Wir brauchen da oben nun mal jemanden, der Holroyd unterstützt.«
»Kann schon sein, aber wieso muss ausgerechnet ich das sein?«, maulte Black. »Wieso nicht Aragon? Er hat mehr praktische Felderfahrung als wir alle zusammen.«
»Aber er ist auch zwanzig Jahre älter als Sie«, entgegnete Nora.
»Sie sind körperlichen Herausforderungen wie dieser doch viel besser gewachsen als er.« Der Honig, den Nora Black ums Maul schmierte, verfehlte seine Wirkung nicht. Black holte tief Luft und blickte an der Felswand hinauf.
»Dann lassen Sie uns mal loslegen«, sagte Sloane und sah hinüber zu Smithback. »Was ist mit Ihnen? Kommen Sie auch mit?«
Smithback blickte nachdenklich nach oben. »Lieber nicht«, antwortete er. »Schließlich muss ja jemand hier unten bleiben und die auffangen, die aus der Wand fallen.«
Sloane zog eine Augenbraue in die Höhe und sah Smithback an, als habe sie nichts anderes von ihm erwartet. »Okay. Aaron, am besten klettern Sie als Erster. Ich folge Ihnen, und hinter mir kommt Peter. Sie, Nora, bilden bitte den Schluss.«
Nora bemerkte, dass Sloane die unerfahrenen Kletterer mit den erfahrenen gemischt hatte.
»Wieso muss ich denn als Erster hinauf?«, fragte Black.
»Weil es für Sie einfacher ist, wenn Sie niemanden vor sich haben, glauben Sie mir. Und außerdem tritt Ihnen dann keiner auf die Finger.«
Black wirkte zwar nicht sehr überzeugt, doch griff er nach der ersten Sprösse der Strickleiter und begann sie hinaufzusteigen.
»Das ist auch nichts anderes als die Leiter hinauf nach Quivira«, sagte Sloane. »Halten Sie Ihren Körper möglichst nahe an der Wand und die Füße auseinander. Wenn Sie an einem Sims ankommen, ruhen Sie sich aus, bevor Sie weiterklettern. Das letzte Stück ist mit etwas mehr als sechzig Metern das längste.«
Bereits auf der zweiten Sprosse rutschte Blacks Fuß ab, so dass der Wissenschaftler das Gleichgewicht verlor. Sloane
Weitere Kostenlose Bücher