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Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Titel: Thunderhead - Schlucht des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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etwas, anstatt jede Scherbe lediglich zu nummerieren und in die immer gleichen Formulare einzutragen? Archäologen waren doch schließlich keine Buchhalter.
    Nora starrte auf die Scherben, die in einer schwärzlich-braunen Reihe vor ihr auf dem Tisch lagen. Dann stand sie abrupt auf, ging zum Telefon und rief die Auskunft an. »Ich möchte eine Nummer in Pasadena«, sagte sie, »das Jet Propulsion Laboratory.« Nachdem sie eine Weile gewartet hatte, gab man ihr die Nummer des Labors. Die Nebenstelle von Leland Watkins war die 2330. Sie legte auf und wählte erneut.
    »Ja?«, meldete sich eine hohe, ungeduldig klingende Stimme.
    »Hallo. Mein Name ist Nora Kelly vom Santa Fe Archaeological Institute.«
    »Ja?«, sagte die Stimme abermals.
    »Spreche ich mit Dr. Leland Watkins?«
    »Am Apparat.«
    »Entschuldigen Sie bitte die Störung«, bat Nora und sprach, so rasch sie konnte. »Es geht um ein Projekt im Südosten von Utah, an dem ich gerade arbeite. Wir suchen nach alten Straßen der Anasazi-Indianer, und da wollte ich Sie fragen, ob...«
    »Dieses Gebiet wird vom Shuttle nicht überflogen«, unterbrach sie Watkins.
    Nora atmete tief durch. »Gibt es denn vielleicht eine Möglichkeit, trotzdem Radaraufnahmen davon zu bekommen? Ich möchte nämlich...«
    »Nein, die gibt es nicht«, fiel ihr Watkins mit gereizter, näselnder Stimme ins Wort. »Ich habe hier eine ellenlange Liste mit den Anträgen von allen möglichen Geologen, Regenwaldbiologen, Agrarwissenschaftlern und weiß der Teufel von wem sonst noch.«
    »Verstehe«, sagte Nora und zwang sich, ruhig zu bleiben. »Und wie kann man einen solchen Antrag stellen?«
    »Wir sind über die nächsten zwei Jahre ausgebucht. Und außerdem habe ich jetzt keine Zeit, mit Ihnen darüber zu reden. Wissen Sie denn nicht, dass die Republik gerade in der Umlaufbahn ist?«
    »Aber es ist wirklich wichtig, Dr. Watkins. Wir haben Grund zu der Annahme, dass...«
    »Alles ist wichtig. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Wenn Sie einen Antrag stellen wollen, dann reichen Sie ihn gefälligst schriftlich ein.«
    »Und wie ist Ihre Adresse?«, fragte Nora, doch Watkins hatte bereits aufgelegt.
    »Arroganter Schnösel!«, rief sie und warf den Hörer auf die Gabel.
    »Ich bin richtig froh, dass Skip deine Freundin aufs Kreuz gelegt hat!«
    Dann beruhigte sie sich wieder und schaute nachdenklich auf das Telefon. Dr. Watkins' Durchwahl war die Nummer 2330 gewesen.
    Nora hob den Hörer ab und wählte dieselbe Nummer wie vorher, nur diesmal mit der 2331 am Ende.

 
6
    M it einem schweren Seufzer setzte sich Peter Holroyd in den altertümlichen Schwingsattel, nahm mit dem Handhebel am Lenker den Zündzeitpunkt zurück und trat auf den Kickstarter. Sofort sprang der Motor mit einem tiefen Grollen an. Holroyd ließ ihn ein wenig warm laufen, dann legte er den ersten Gang ein und steuerte das schwere Motorrad hinaus auf den California Boulevard. Ein leichter Dunstschleier hing über den San-Gabriel-Bergen und Holroyds Augen, die von einem langen Tag vor Computerbildschirmen und Falschfarbenfotografien ohnehin schon gereizt waren, brannten wie üblich vom Ozon in der Luft. Außerhalb des Bürogebäudes mit seiner durch die Klimaanlage gereinigten Luft begann auch seine Nase zu laufen, so dass Holroyd einen dicken Klumpen Schleim auf den Asphalt spucken musste. Zärtlich strich er mit einer Hand über den dicken Bauch des Michelin-Männchens aus Gummi, das auf dem Tank der alten Indian klebte. »Kleiner Gott des kalifornischen Verkehrs«, murmelte er durch das Grollen des schweren Zwei-Zylinder-Motors, »schenke mir allzeit freie Fahrt und bewahre mich vor Regen, Rollsplitt und bornierten Autofahrern.«
    Zehn Blocks weiter und zwanzig Minuten später bog Holroyd nach Süden ab und fuhr in Richtung Atlantic Boulevard und Monterey Park, in dessen Nähe seine Wohnung lag. Hier war der Verkehr nicht mehr so schlimm; zum ersten Mal, seit er losgefahren war, konnte er nun in den dritten Gang schalten. Er gab Gas, damit der Fahrtwind die beiden großen Zylinder zwischen seinen Beinen kühlte, und dachte wieder an die hartnäckige Archäologin, mit der er am Vormittag so lange telefoniert hatte. Dabei hatte er ständig eine rundliche, mäuschenhaft aussehende Akademikerin mit schlecht geschnittenen Haaren und wenig Charme vor seinem geistigen Auge gesehen. Aber schließlich hatte er ja nur versprochen, dass er mit ihr zu Abend essen würde, weiter nichts. Den Treffpunkt hatte er möglichst weit

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