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Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Titel: Thunderhead - Schlucht des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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verstehen war.
    Auf einmal polterte ein dicker Felsbrocken durch den Canon. Donnernd prallte er von Wand zu Wand und raste mit erschreckend hoher Geschwindigkeit über ihre Köpfe hinweg. Ein zweiter, sogar noch größerer, folgte ihm, vorwärts geschleudert von der Energie des Wassers, das selbst erst später nachfolgen würde. Der Felsblock knallte mit enormer Wucht gegen den verklemmten Pappelstamm, fiel zu Boden und rollte unter Zurücklassung eines Geruchs nach zermahlenem Gestein laut knirschend weiter.
    Keuchend und hustend erreichte Nora den Felssims, klammerte sich mit beiden Händen fest und zog sich aus dem Wasser. So rasch sie konnte, kletterte sie nach oben, verzweifelt darum bemüht, auf dem glitschigen Felsen nicht den Halt zu verlieren. Die Luft war jetzt voller winziger Wassertropfen, die ihnen der Wind erbarmungslos in die Gesichter peitschte. Nora krallte sich an dem Felsen fest, um von dem gewaltigen Luftzug nicht hinabgeweht zu werden. Unter ihr schössen bereits die ersten Wasser der Sturzflut durch den Canon, und Nora, die es noch gar nicht fassen konnte, wie rasch sich alles verändert hatte, kam sich vor, als sei sie in einem schrecklichen Alptraum gefangen. In dem tobenden Chaos konnte sie kaum Aragons Gestalt ausmachen, die unter ihr den Felssims erklomm.
    Ein zweiter Schwall Wasser raste durch den Canon und riss Aragon die Beine von dem Sims. Hätte Smithback den Mexikaner nicht mit einem entschlossenen Griff am Hemd gepackt, hätte die Woge ihn mit sich fortgetragen. Ohne den beiden helfen zu können, beobachtete Nora, wie die Flut abermals um Aragons Beine spülte. Durch das Brüllen des Wassers glaubte sie den Archäologen schreien zu hören. Es klang seltsam hohl und verzweifelt.
    Sie sah, wie Aragon von den in rasender Geschwindigkeit ansteigenden Wassermassen gepackt wurde. Ein großes Stück Holz traf ihn am Oberkörper und entriss ihn Smithbacks Griff Während der Journalist, noch einen Fetzen Hemd in der Hand, alle Mühe hatte, sich selbst auf dem Sims zu halten, wurde Aragon von den Fluten rasch den Canon hinabgetragen. Nach ein paar Metern knallte er gegen die Felswand und raspelte an ihr entlang wie ein Stück Käse auf einer Reibe. Sein zerschundener Körper hinterließ eine blutige Spur an der Klippe, die von den brodelnden Fluten sogleich wieder weggespült wurde. Ein paar Sekunden später war Aragon verschwunden.
    Nora unterdrückte ein Schluchzen und wandte sich ab. Sie griff nach einem Felsvorsprung, zog sich nach oben und suchte sofort nach dem nächsten Halt. Höher, dachte sie. Höher! Smithback war jetzt neben ihr, und als einer ihrer Füße abrutschte und sie zu fallen drohte, packte er sie am Oberarm und zog sie wieder hinauf auf den Sims. Wie in Zeitlupe näherten sie sich der Höhle, in der Holroyds Leiche versteckt gewesen war.
    Und dann schließlich kam sie, die eigentliche Sturzflut: eine riesige Wasserwand, die sich so hoch über ihren Köpfen aufbaute, dass sie den Himmel verfinsterte. Es war eine turmhohle Lawine aus Wasser, Luft, Schlamm, Felsbrocken und zersplittertem Holz, die einen Sturm von der Intensität eines Tornados vor sich hertrieb. Nora spürte, wie Smithback seinen Griff um ihren Arm einen Augenblick lockerte, dann aber wieder energisch zupackte. Während er sie in die kleine Höhle schob, hörte Nora eine Unzahl von Felsbrocken gegen die Wände des Canons prasseln. Einige davon trafen Smithback mit einem dumpf klatschenden Geräusch im Rücken.
    Wie ein Raubtier stürzte sich die Flut auf sie und hüllte sie in ein nicht enden wollendes, erstickendes Brüllen ein. Die unerträgliche Lautstärke zusammen mit dem Beben des Felsens ringsum gab Nora das Gefühl, den Verstand zu verlieren. Sie rollte sich zusammen, schützte ihren Kopf mit den Armen und betete, dass das infernalische Getöse doch endlich verstummen möge. Immer wieder drang das Wasser in kurzen Schuhen in die kleine Höhle ein. Es zerrte an Noras Schultern und Beinen, als wolle es sie mit aller Gewalt aus ihrem Refugium spülen.
    In einem abgelegenen Teil ihres Gehirns wunderte sich Nora, dass es so lange dauerte zu sterben. Verzweifelt rang sie nach Atem, doch die Luft in der Höhle schien keinen Sauerstoff mehr zu enthalten. Dann spürte sie, wie Smithbacks Arme, die er in festem Griff um sie geschlungen hatte, nach einem letzten, entsetzlichen Zucken auf einmal ganz schlaff wurden. Noch einmal schnappte sie nach Luft, bekam Wasser in den Mund, würgte und versuchte zu schreien.

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