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Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Titel: Thunderhead - Schlucht des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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einen Teil ihrer Kletterausrüstung mit. Ohne ein Wort zu sagen drückte Bonarotti beiden noch ein kleines Essenspaket in die Hand.
    Die beiden Frauen schulterten ihre Rucksäcke, winkten den anderen zum Abschied und machten sich auf den Weg, Hinter dem Eichenhain gurgelte der Fluss über ein Kiesbett auf das Röhricht vor dem Eingang des Slot-Canons zu, wo Nora ein dichtes Gewirr aus umgeknickten Schilfhalmen, toten Baumstämmen und Felsblöcken auffiel.
    Die Halme knisterten und knackten, als Nora und Sloane in das Schilf vordrangen. Dicke Fliegen und winzige, fast unsichtbare Mücken surrten durch die schwüle Luft. Nora, die voranging, musste sich ständig mit einer Hand die Quälgeister aus dem Gesicht wedeln.
    »Nora«, sagte Sloane leise von hinten. »Schauen Sie einmal ganz vorsichtig nach rechts. Aber bewegen Sie sich nicht.«
    Nora folgte Sloanes Blick und entdeckte weniger als einen halben Meter entfernt eine kleine graue Klapperschlange, die sich etwa auf Schulterhöhe um einen Schilfhalm geringelt hatte.
    »Ich sage es Ihnen nur ungern, Nora, aber Sie haben diese nette kleine Schlange soeben mit dem Ellenbogen angerempelt.« Trotz Sloanes scherzhaften Tons war ein leises Zittern in ihrer Stimme unverkennbar.
    Nora starrte erschrocken und fasziniert zugleich auf die Klapperschlange, die auf ihrem Halm noch immer ein wenig hin und her schwankte. »Großer Gott«, krächzte sie und spürte, wie trocken und verkrampft ihre Kehle war.
    »Vermutlich hat die Schlange nur deshalb nicht zugebissen, weil sie nicht ins Wasser fallen wollte«, fuhr Sloane fort. »Das ist übrigens eine Sistrurus toxidius, eine graue Zwergklapperschlange - immerhin die zweitgiftigste Sorte von ganz Nordamerika.«
    Nora starrte noch immer auf das perfekt getarnte Tier, das sich kaum von seiner Umgebung unterscheiden ließ. »Mir ist richtig schlecht«, sagte sie.
    »Lassen Sie mich vorausgehen.«
    Weil Nora nicht zum Streiten aufgelegt war, blieb sie stehen und ließ Sloane an sich vorbei. Die junge Frau tastete sich vorsichtig durch das Schilfgestrüpp und hielt alle paar Schritte inne, um sich sorgfältig umzusehen. »Da ist noch eine«, sagte sie, als sie wieder einmal stehen blieb, und deutete auf eine Schlange, die, von ihren Schritten aufgeschreckt, raschelnd durch das Schilf davon glitt. Bevor sie verschwand, ließ sie ein leises Klappern hören, das Nora durch Mark und Bein ging.
    »Schade, dass Bonarotti nicht bei uns ist«, meinte Sloane, als sie sich behutsam wieder in Bewegung setzte, »der würde bestimmt ein Cassoulet aus diesem Viehzeug bereiten.« Sie hatte den Satz noch nicht richtig zu Ende gesprochen, da ertönte ein weiteres Klappern unmittelbar vor ihren Füßen. Mit einem erschrockenen Schrei sprang Sloane zurück und machte um die Schlange einen weiten Bogen.
    Nachdem die beiden Frauen noch ein paar ähnliche Schrecksekunden ausgestanden hatten, erreichen sie das Ende des Schilfs und sahen nun den Eingang zum Slot-Canon deutlich vor sich. Er war ein an die zweieinhalb Meter breiter Spalt zwischen zwei wie poliert wirkenden Felswänden, zwischen denen der Fluss in seinem feinsandigen Flussbett verschwand.
    »Du meine Güte«, sagte Nora. »In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so viele Klapperschlangen auf einem Fleck gesehen.«
    »Vielleicht hat eine Sturzflut sie aus den Bergen heruntergeschwemmt«, mutmaßte Sloane. »Jetzt sind sie nass und durchgefroren und extrem schlecht drauf.«
    Durch das klare Wasser watend, betraten sie den Slot-Canon, in dessen glatte Wände unzählige Sturzfluten im Laufe von Äonen eine Unzahl von länglichen, an Taschen und Schläuche erinnernde Aushöhlungen gegraben hatte. Schon nach ein paar Metern überkam Nora ein unangenehmes Gefühl, als ob sie eingesperrt wäre; es wurde durch den Umstand verstärkt, dass man nur selten ein Stück des Himmels zu sehen bekam, wenn man nach oben blickte. Weil den ganzen Tag über kein einziger Sonnenstrahl bis auf den Boden des Canons drang, herrschte hier nicht nur ein von den Felswänden rötlich getöntes Halbdunkel, sondern auch eine erstaunliche Kühle. Wo das Wasser den Slot-Canon etwas weiter ausgehöhlt hatte, befanden sich Flecken mit losem Treibsand. Nora fand heraus, dass man sie am besten durchquerte, indem man auf Händen und Füßen hineinkroch und dann, wenn der Treibsand so locker wurde, dass man darin zu versinken drohte, mit den Händen Schwimmbewegungen machte und die Beine dabei gerade nach hinten ausgestreckt ließ.

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