Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
Ich hoffe nur, du weißt, was du willst«, sagte sie, halb kritisch, halb besorgt. Doch er schien nicht gesprächig, daher fuhr sie fort: »Ich muß sagen, diese PalaThion ist zäher als ich gedacht habe. Ich glaubte, verwundbar wie sie ist, sie würde in der Zwischenzeit schon mehr Wunden aufweisen. Sie muß von irgendwem Unterstützung beziehen.«
»Gundhalinu. Einer der Inspektoren. Die anderen hassen ihn deswegen, aber das schert ihn einen Dreck, weil er sich für etwas Besseres hält.«
»Gundhalinu? Oh, ja ...« Arienrhod warf dem Rekorder einen Blick zu. »Ich werde es mir merken. Und dann gibt es da noch einen Außenweltler namens Ngenet, er hat irgendwo an der Küste eine Plantage. Soviel ich weiß, besucht sie ihn dort manchmal. Eine Freundschaft mit zweifelhaften Wurzeln ...« Sie glättete ihr Haar und betrachtete das Wandbild hinter Starbucks Kopf. Es zeigte einen rasenden Schneesturm, der über ein Gebirge hinweg in ein Tal fegte, wo sich eine einsame Wintersiedlung befand. »In seiner Plantage ist noch niemals gejagt worden, oder?«
Starbuck richtete sich im Sessel auf. »Nein. Er ist ein Außenweltler. Ich dachte, wir könnten nur, wenn ...«
»Das ist richtig. Und ich weiß, daß er es strengstens verbieten wird, er hält nicht viel von dieser Idee. Aber was würde geschehen, frage ich mich, wenn du sein Anwesen heimsuchen würdest, und PalaThion könnte dir nichts anhaben?«
Er lachte, und nun war nichts mehr von dem alten Widerwillen zu spüren. »Eine gute Jagd. Und das Ende einer Beziehung?«
»Nur einen Tag Arbeit.« Sie lächelte. »Die letzte Jagd wird uns einige Seelen einbringen.«
»Die letzte Jagd ... « Starbuck flegelte sich in den Sessel und spielte mit den Fingern. »Weißt du, ich hörte etwas Interessantes auf der Straße. Ich hörte, daß die Quelle vor einiger Zeit einen mitternächtlichen Besucher hatte. Ich hörte, daß du es gewesen sein sollst. Und das Wort geht um, daß es dir vielleicht nicht so genehm ist, das Ende der Winterherrschaft so nahe zu sehen.« Er blickte auf. »Was meinst du dazu?«
»Exzellent.« Sie nickte und lauschte der Stille, ihrer besten Freundin. Überrascht? – Ja, aber nur ein wenig. Sie kannte seine Informationsquellen. Sie wußte, daß er Persiponë benutzte, um an Herne heranzukommen. Sie bewunderte sogar seine Findigkeit. Es überraschte sie lediglich ein wenig, daß ihre Absichten für jedermann so klar auf der Hand lagen. Sie würde Persiponë in Zukunft besser im Auge behalten müssen.
»Nun?« Starbuck preßte die Hände auf seine Knie. »Möchtest du mir denn nichts darüber erzählen? Möchtest du mich auch weiterhin in dem Glauben lassen, daß wir beim nächsten Ball gemeinsam zum Meer gehen?«
»Oh ... natürlich hätte ich dir früher oder später davon erzählt. Es gefiel mir nur, dich schwören zu hören, daß du ohne mich nicht leben kannst oder willst ... mein Allerliebster. « Sie besänftigte seinen Zorn mit zwei Worten, die ihr unerwartet aus tiefester Seele drangen.
Er stand auf, durchquerte das Zimmer und trat dann um den Schreibtisch herum auf sie zu. Doch sie hob die Arme und hielt ihn damit stumm auf Distanz. »Hör mich an! Da du mich gefragt hast, sollst du auch eingeweiht werden. Ich habe keine Lust, ohne Widerstreben zum Meer zu gehen, damit alles, wofür ich gekämpft habe, mit mir ertränkt wird. Das hatte ich nie. Dieses Mal, bei allen Göttern, die hier nie beheimatet waren, wird diese Welt nicht wieder in Unwissenheit und Barbarei zurücksinken, wenn die Außenweltler sich zurückziehen.«
»Was kannst du daran schon ändern? Wenn die Außenweltler gehen, verlieren wir ihre Unterstützung, die Grundlage unserer Macht.« Es freute sie, seine unwissentlich ausgesprochene Beistandsbeteuerung anzuhören. »Dafür werden sie schon sorgen. Und dann können wir Sommer nicht länger zurückhalten, weder die Jahreszeit, noch das Volk. Es wird wieder ihre Welt sein.«
»Du hast keine Ahnung.« Sie schüttelte den Kopf und gestikulierte mit einer von Ringen schweren Hand in Richtung Fenster, zum Panorama der Stadt. »Die Sommer werden sich hier in der Stadt zum Ball versammeln – hier, auf unserem Boden. Wir brauchen nur etwas, das unerwartet über sie kommt – wie eine Epidemie. Natürlich eine, gegen die wir Winter immun sind, dank den Wundern der Außenweltlermedizin.«
Starbuck verzog das Gesicht. »Du meinst ... du könntest das vollbringen? Du würdest ...?«
»Ja, ja! Fühlst du dich diesen dummen,
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