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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Verfolgungen schützen – eine Zeit, in der sie ihre Zahl mi schmerzlicher Langsamkeit wieder erhöhen konnten, womit sie die himmelschreiende Ungerechtigkeit ausglichen, die ihre Schöpfer ihnen angetan hatten.
    Doch Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit waren, wie die Zeit, für die Mers ohne Bedeutung, sie formten kein für Mond er- kennbares Konzept in ihrem Schema der Dinge. Sie lebten schon' seit Hunderten, möglicherweise Tausenden von Jahren in den Tag hinein, und für ihre Gehirne galten vollkommen andere Parameter. Sie lebten für den Augenblick, für die vergängliche Schönheit einer Luftblase, die zum Licht emporstrebt, um zu verschwinden – für den Akt des Schaffens und Werdens. Es bestand keine Notwendigkeit, kein Erfordernis von beständigen Artefakten, denn das Lied, der Tanz, der Akt an sich, war ein Kunstwerk, vergleichbar mit einer Blume oder einem Leben, noch verschönert durch das Wissen um seine Vergänglichkeit. Der Stoff, das Material, hatte für sie ebensowenig Bedeutung wie die Zeit selbst. Nach menschlichen Maßstäben waren ihre Leben endlos, und sie lebten sie hedonistisch, erfüllt von der unmittelbaren Zärtlichkeit des Fühlens beim Dahingleiten im Wasser, im Wechsel von kalten und warmen Strömungen, Strudeln und Gezeiten – der verblüffenden Grenze zwischen Wasser und Luft, der flüchtigen Hitze des Verlangens, dem sanften Festklammern eines neugeborenen Kindes.
    Es gab wenig, das sie durch Worte mit ihnen hätte teilen können, wäre ein Übersetzer imstande gewesen, die Barriere des Nichtverstehens zu überwinden. Und doch konnte sie hier zwischen ihnen, sogar in der Abgeschlossenheit ihres Taucheranzugs, ihre Gedanken, Werte, Ziele, abstreifen und vergessen. Sie konnte die Erinnerung an das Geschehene abstreifen, auch die Unsicherheiten über die nahe Zukunft, indem sie das Jetzt zur Ewigkeit werden und das Später zu Gischt zerstäuben ließ. Sie sah den Mer, der ihr wie eine Mutter gewesen war, wie er sie neugierig umkreiste, und sie dachte von ihnen allen als Freunde, Familienangehörige, sie fühlte, wie sie zum Bestandteil ihrer zeitlosen Welt wurde .. .
    Sie spürte, wie Silky dicht hinter ihr schwamm, seine Tentakel glitten über ihre Schultern, umklammerten den Luftschlauch der Sauerstofflasche, zogen sanft ... »Silky!« Ihr zorniger Protestschrei wurde zum Grunzen, als sie den Regulator fest zwischen die Zähne nahm, um zu verhindern, daß er ihn herauszog. Sie fuchtelte mit den Armen, die ebenfalls von Tentakeln ergriffen wurden, als sie die Luftversorgung schützen wollte. Sie riß die Beine an sich, um ihn sanft mit den Füßen von sich zu treten. Und dann erkannte sie, daß zwei Silkys um sie herum waren, sah ein Messer in einem Tentakel des falschen, das wie eine Schlange seinem Griff entglitt. Sie strampelte heftig mit den Beinen, um ihn zu verscheuchen, doch das gelang ihr erst, nachdem sein Messer bereits ein Opfer gefunden hatte. Sie sah eine dunkle Blutwolke an der Schulter des echten Silky.
    Sie umfing Silky mit den Armen und versuchte mit ihm aus der Reichweite der Killer zu kommen, doch das stille Gewässer begann plötzlich zu kochen, als die Merherden vom Ufer hineingetrieben wurden, wo sie panisch umherschwammen. Sie stoben rings um sie her, Köpfe, Flossen und Körper stießen gegen sie. Sie klammerte sich an Silkys zuckenden Tentakeln fest und bemühte sich, nach oben zu schwimmen, um dem Chaos zu entkommen. Doch in den helleren, oberen Wasserschichten konnte sie ein Netz über sich erkennen, das sich auf sie herabsenkte, der schwarze Bug eines seltsamen Schiffes zerteilte das Wasser der Bucht. Noch mehr Gestalten, die wie Silky aussahen, es aber nicht waren, kamen mit dem Netz heruntergetaucht, das sich wie ein Leichentuch über sie senkte und sie hinabzog. Sie verspürte ein unkontrolliertes Gefühl der Klaustrophobie ..
Die Jagd! Nein – das kann nicht sein! Nicht hier, nicht hier .. .
    Doch es war unmöglich zu verleugnen, daß das Unmögliche tatsächlich geschehen war, der Anblick der von fremden Ultraschallauten desorientierten und aufgeschreckten Mers schnürte ihr die Kehle zu. Sie würden alle sterben. Sie ließ Silky los, drehte sich um, sah ihn nicken, dann beugte sie sich hinab und zog ihr Tauchermesser aus der Scheide an ihrem Bein, während das Netz sich unbarmherzig enger um sie schlang. Sie hackte mit aller Gewalt auf das Netz ein, das tatsächlich unter ihrer Klinge nachgab, bis sie eine Öffnung geschaffen hatte, durch die sie

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