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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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unübersehbar gegen den Glaskasten, in dem er sich befand. Er war hergekommen, um das pulsierende Herz der Stadt zu erkunden, statt dessen aber stellte er fest, daß ihm das, wonach er zu greifen versucht hatte, schon wieder wie Wasser durch die Finger geronnen war. Wie alles, worum er sich bisher gekümmert, was ihn bisher beschäftigt hatte .. .
    Er umklammerte mit einer Hand fest eine kinetische Skulptur in einem Auslagekasten, an dem er gerade vorüberging. Schrille Töne glitten an ihren Ausläufern entlang wie springende Katzen. Doch die kreischende, isotonische Musik drang nicht unter seine Haut, die metallische Klangfolge verschwand in einer anderen Dimension. Oder vielleicht stellte er sich deren Irrealität auch nur vor? Doch es ging nicht vorbei ...
Warum? Was stimmt nicht mit mir? Was stimmt nicht?
    Er ließ sie angewidert los, als der Skulpturenhändler indigniert nach vorne geeilt kam. Er ging weiter, und nun erst erkannte er, in was für eine Allee er eingebogen war: Es war die Zitronenallee, und weiter vorne konnte er bereits Fate Ravenglass erkennen, die wie immer inmitten ihrer Schachteln und Tabletts auf der Schwelle ihres Ladens stand. Der Ort, an den er schon einmal gekommen war, um Zuflucht bittend, und wo man ihn ohne zu fragen aufgenommen hatte. Ein Ort, an den er immer wieder zurückkehren konnte, ein Hafen der Ruhe und Kreativität in einem Universum der Gleichgültigkeit und zerbrochener Dinge.
    Er sah, daß Fate nicht allein war, sah ihre Besucherin sich erheben und erkannte ihre Freundin Tiewe – an dem Schleier, er hatte noch nie etwas von ihr gesehen, außer ihren ebenholzfarbenen Händen. Er vernahm die süßen Laute ihres Diadems aus Glöckchen. Er hatte Fate gefragt, weshalb sie sich niemals unverhüllt zeigte, ob sie denn so häßlich wäre, aber sie hatte geantwortet, auf ihrer Heimatwelt wäre das so Brauch. Seither waren ihm nur ein oder zwei wie sie begegnet, und er verspürte eine eifersüchtige Dankbarkeit, als er erkannte, daß sie ging, weil sie ihn gesehen hatte. Fate hatte viele Freunde – aber keiner schien mehr als nur ein Freund für sie zu sein. Von Zeit zu Zeit hatte er sich über ihren Zölibat gewundert.
    Nachdem Tiewe sich glöckchenklimpernd entfernt hatte, wandte Fate ihm das Gesicht zu, halb lächelnd, halb vor Konzentration angespannt. »Funke, bist du das?« Malkin, die Katze, miaute zustimmend von der Schwelle, wo sie sich zusammengerollt hatte.
    »Ja, hallo, Fate. « Plötzlich unsicher geworden, blieb Funke vor ihr stehen.
    »Was für eine nette Überraschung. Setz dich hin, fühl dich wie Zuhause! Du hast dich in den vergangenen Monaten nicht oft sehenlassen. «
    Er schnitt eine schuldbewußte Grimasse, während er sich vorsichtig zwischen den Tabletts niedersetzte. »Ich weiß. Tut mir leid, ich ... «
    »Nein, nein, keine Entschuldigungen.« Sie winkte ihm frohgemut mit der Hand. »Denn schließlich, wie oft bin ich denn in den Palast gekommen, um dich zu besuchen?«
    Er lachte. »Nie.«
    »Dann sollte ich dankbar sein, daß wenigstens du gekommen bist.« Sie tastete nach der Maske, die sie abgelegt hatte. »Erzähl mir ein wenig Klatsch vom Hof – was sie tragen, was sie spielen, über welche wunderbaren Nebensächlichkeiten sie sich den Kopf zerbrechen. Ich brauche etwas Aufmunterung. Tiewe ist geschickt mit Nadel und Faden, aber eine so traurige Person ... « Sie wandte sich stirnrunzelnd ab. Dann griff sie unvermittelt nach einem Tablett und stieß es um. »Verdammt!« Malkin sprang von der Schwelle auf und verschwand im Laden.
    »Hier, laß mich ... « Funke beugte sich vor, um die grüne Kaskade in Augenschein zu nehmen, die sich über die Schwelle ergossen hatte. Er richtete das Tablett wieder und sammelte die Perlen ein. Die gedankenlose Arbeit beruhigte ihn. »Hier.« Er gab ihr drei Perlen auf einmal und gab sich genüßlich der Behaglichkeit ihrer gemeinsamen, vergangenen Tage hin.
    »Da siehst du, wie ich dich vermißt habe.« Sie lächelte, als die Perlen in ihre Handfläche fielen. »Aber nicht nur wegen deinen geduldigen Händen – auch wegen deiner entzückenden Sommerlieder und deiner erfrischenden Art, dich über alles zu wundern.«
    Funke ließ die Hände auf die Knie sinken. Er sagte nichts. »Möchtest du hierbleiben und mir etwas vorspielen? Ich habe in dieser Allee schon lange keine Lieder mehr gehört.«
    »Ich ... « Er schluckte den Stein in seiner Kehle hinunter. »Ich
    habe meine Flöte nicht mitgebracht.«
    »Nein?« Das

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