Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde

Titel: Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
Vom Netzwerk:
Frau, sich zu setzen. Sie informierte sie über das Verschwinden von Jasmin Dreyer. Die Wirtin hielt
sich erschrocken die Hand vor den Mund und wurde blass. »Mein Gott, der arme Detlef!«
    »Können Sie uns etwas über die Familie Dreyer sagen? Wie ist Jasmin so? Bestand die Gefahr, dass sie von zu Hause weglaufen würde? Sie wissen ja, wie das mit den Jugendlichen manchmal ist.«
    Die Wirtin schüttelte so entschieden den Kopf, dass ihr Doppelkinn wackelte.
    »Jasmin! Niemals! Seit Anke, das war die Mutter, gestorben ist, sind Detlef und sie ein Herz und eine Seele. Er ist ein guter Vater, auch wenn er nicht viel Zeit hat. Die beiden sind richtig eng zusammengerückt in ihrer Not. Nein, die Jasmin wäre nicht einfach weggelaufen.«
    Ob diese Meinung der Wirtin die wirkliche Situation bei den Dreyers wiedergab, war fraglich, aber zumindest hatte Nele einen ersten Eindruck. »Sagen Sie … hier hat es doch vor einem Jahr einen schweren Unfall gegeben, nicht wahr?«
    Im feisten Gesicht der Wirtin zogen sich die Brauen zusammen. »Richtig. Warum?«
    Schau an , dachte Nele bei sich, plötzlich so verschlossen, die Gute.
    »Was können Sie uns darüber sagen?«
    »Darüber ist schon alles gesagt worden. Dieser Unfall hat das ganze Dorf ins Unglück gestürzt. Ist besser, wenn nicht mehr darüber gesprochen wird.«
    »Warum, es war doch nur ein tragischer Unfall?«, fragte Tim genauer nach.
    »Na ja, der Unfall war zwar tragisch, aber nicht unvermeidbar. Es gibt Schuldige, wissen Sie. Es wurde Alkohol getrunken in dem Wagen. Arnos Eltern … Arno hat den Wagen gefahren … sind vor vier Monaten weggezogen. Sie
konnten mit den Anfeindungen nicht mehr leben. Seitdem ist auch wieder Ruhe im Ort.«
    »Und es ist bewiesen, dass der Junge betrunken war?«
    »Bewiesen ist nur, dass leere Flaschen in dem Wagen waren. Harter Alkohol und Bier. Wer betrunken war und wer nicht, das weiß ich nicht. Da war ja auch kaum etwas übrig. Alle waren bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.«
    Damit wusste Nele vorläufig genug. Die Wirtin konnte ihr nicht mehr mitteilen als Mutmaßungen. Wertvoll war dagegen der Hinweis auf die emotionale Spannung im Ort. Sie bedankte sich bei der Frau, bezahlte den Kaffee für alle drei und verabschiedete sich.
    Vor der Waldschänke ließ Nele ihren Blick über das beschauliche Örtchen gleiten.
    »Könnte es ein Racheakt sein? Von irgendeinem Elternteil der getöteten Kinder?«, überlegte Tim.
    Nele zuckte mit den Schultern. »Eben gingen meine Gedanken auch in die Richtung, aber ich kann es mir doch nur schwer vorstellen. Wenn eine Schwester oder ein Bruder dieses Arno, der damals den Wagen fuhr, entführt worden wäre, ja, dann wäre ich alarmiert. Aber warum Jasmin?«
    »Weil sie aus dem Ort kommt, ungefähr im selben Alter ist und lebt … hoffentlich!«
    »Klingt für mich sehr weit hergeholt«, meinte Eckert.
    »Ja, für mich eigentlich auch«, sagte Nele mehr zu sich als zu den beiden Männern. »Aber wir sollten trotzdem Informationen über diesen Unfall einholen, selbst wenn wir damit alte Wunden wieder aufreißen.«

2.
    Tag, abends
    »Der Scheißkerl hat mich gebissen!«
    Entrüstet betrachtete Natascha den rötlichen Abdruck eines menschlichen Kiefers in ihrer Schulter. Sie stand in knappen schwarzen Dessous und High Heels vor einem deckenhohen Spiegel, der von zahlreichen kleinen Lampen sanft beleuchtet wurde. Noch um einiges sanfter strich sie mit den Fingerkuppen über das Relief in ihrem Fleisch und spürte die leichten Vertiefungen, welche die alten gelben Zähne hinterlassen hatten.
    »Kannste ja Fred nachher sagen. Dann kriegt der Sack Hausverbot.«
    »Fred ist das doch scheißegal, solange die Kunden uns nicht umbringen.«
    Natascha überlegte, ob sie die Wunde desinfizieren musste, entschied sich aber dagegen, da ihre Haut ja nicht wirklich verletzt war. Stattdessen bestäubte sie den Abdruck sorgsam mit körperfarbenem Puder. Dann betrachtete sie ihren schlanken, gebräunten Körper eingehend auf der Suche nach weiteren Unregelmäßigkeiten. Nicht dass sie welche zu finden erwartete. Es machte sie einfach stolz, mit einem Körper gesegnet zu sein, auf den die Männer abfuhren – allerdings hätte sie auf den Fetten von vorhin gern verzichtet. Schließlich drehte sie sich zu ihrer Kollegin um, die auf einem mit rotem Leder bezogenen Hocker vor der Bar saß und Kaugummi kauend ein Kreuzworträtsel löste. Mit der Spitze des Bleistiftes bohrte sie in ihrer Nase herum.

    »Ist Schluss für

Weitere Kostenlose Bücher