Tiefer - Im Sog der Lust (German Edition)
sich dem Haus näherten. „Wirklich. Es ist schon spät.“
„Was genau der Grund dafür ist, dass ich dich bis zur Haustür bringe.“ Nick grinste sie an.
Sie hielten unter einer Straßenlaterne an. Das Bandana hielt seine dunklen Haare aus dem Gesicht, aber Bess erinnerte sich daran, wie ihm am Abend von Missys Party eine dunkle Strähne über das Auge gefallen war.
„Das musst du wirklich nicht“, wiederholte sie.
Sie würde Schwierigkeiten haben, ihrer Tante oder ihrem Onkel, ihren Cousins oder einem der anderen halben Dutzend Leute, die sich derzeit in dem Strandhaus ihrer Großeltern aufhielten, zu erklären, wieso sie von einem jungen Mann nach Hause gebracht wurde. Noch dazu von einem Einheimischen, also definitiv nicht von Andy. Sie alle kannten Andy. Sie alle liebten Andy.
Sie liebte Andy.
„Na gut. Dann nicht.“ Nick zuckte mit den Schultern und zog ein Päckchen Swisher Sweet Zigaretten aus seiner Tasche. Er zündete sich eine mit dem Feuerzeug an, das er aus seiner vorderen Jeanstasche kramte. Der wohlriechende Rauch wirbelte zwischen ihnen in der Luft, und Bess, die normalerweise von Zigarettenrauch sofort husten musste, atmete tief ein.
Der Lichtschein war wie eine Wand um sie herum, die die Nacht aussperrte. Bess hörte Stimmengemurmel und das leise Klirren einer Hundeleine, aber sie drehte sich nicht um, um zu sehen, wer vorbeiging. Das sanfte und niemals aufhörende Rauschen des Meeres erklang hier, drei Blocks entfernt, nur gedämpft. Sie hatte extra den längeren Heimweg gewählt.
„Es ist im Moment das reinste Irrenhaus“, erklärte sie, auch wenn Nick sie gar nicht um eine Erklärung gebeten hatte. „Es gehört meinen Großeltern, und jeder aus der Familie darf mal seine Ferien dort verbringen. Sie könnten mehr Geld machen, wenn sie es vermieten würden, aber sie sagen, dass es ihnen lieber ist, die Menschen zu kennen, die in ihren Betten schlafen.“
Und in ihre Toiletten schissen, wie Bess’ Großvater zu sagen pflegte, aber das behielt sie für sich.
„Das klingt logisch.“ Er nickte und zog mit zusammengekniffenen Augen an seiner Zigarette.
„Sie lassen mich dort wohnen“, fuhr Bess fort. Sie hasste den Eifer in ihrer Stimme und die Durchsichtigkeit ihres Versuchs, die Unterhaltung am Laufen zu halten. „Ich hab zwar das schlechteste Zimmer bekommen, aber es ist immerhin ein Dach über dem Kopf, und ich kann Geld für die Uni zurücklegen.“
Wieder nickte er zustimmend, aber er sagte nichts. Bess wartete, beobachtete den Rauch, damit sie nicht Gefahr lief, ihn anzuschauen, um zu sehen, ob er sie anschaute.
„Ich gehe auf die Millersville University“, sagte sie. „Studierst du auch?“
„Nö.“ Nick warf die Kippe auf den Boden und trat sie mit der Spitze seines Turnschuhs aus. „Ich bin nicht so klug.“
Darüber musste sie lachen. Doch als ihr Nicks Lächeln verriet, dass er keinen Witz gemacht hatte, hörte sie auf. „Ach, komm schon, das stimmt doch nicht.“
Er zuckte die Achseln. „Klugscheißer zu sein ist was anderes, Bess.“
Die Art, wie sich seine Stimme um die einzelne Silbe ihres Namens schlang, jagte ihr einen Schauer über den Rücken. „Klug zu sein ist nicht alles.“
„Sagt das kluge Mädchen.“
„Wie ich schon sagte“, wiederholte Bess und wandte den Kopf ab. „Klug zu sein ist nicht alles.“
Nick schob die Hände in die Taschen seiner Jeans und wippte vor und zurück. „Wie lange kennst du Missy schon?“
„Ungefähr drei Jahre. Seitdem ich angefangen habe, hier zu arbeiten.“ Bess zog mit den Zehen eine Linie in den Kies, dann lehnte sie sich auf den Lenker ihres Fahrrads. „Und du?“
„Ich hab sie gerade erst kennengelernt. Sie ist Ryans Freundin.“ Er gab ein tiefes, amüsiertes Schnauben von sich. „Manchmal zumindest.“
„Ja. Zu anderen Zeiten ist sie jedermanns Freundin.“ Bess überraschte sich selber mit dieser Aussage, aber Nick schien nicht schockiert zu sein.
„Ja“, stimmte er mit einem weiteren langsamen Grinsen zu, von dem Bess ganz heiß wurde. „Allerdings nicht meine.“
„Das geht mich nichts an.“
Nick sagte nichts. Als sie das Schweigen nicht mehr ertragen konnte, schaute Bess ihn an. Er lächelte nicht.
„Hat sie dir gesagt, dass ich schwul bin?“
Bess öffnete den Mund, aber sie fand nicht mehr die richtigen Worte. Je länger sie nicht antwortete, desto schlimmer schien es zu werden, bis sie endlich ein „Ja“ hervorbrachte.
„Die kleine Schlampe.“ Nick starrte
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