Tiefer - Im Sog der Lust (German Edition)
sich nicht mal ansatzweise vorstellen, wie er sich fühlte, nachdem er aus dem Grau , wie er es nannte, zurückgekommen war. Es fiel ihr ja schon schwer genug, es zu akzeptieren, ohne ihrem Gehirn größere Schäden zuzufügen, und ihr war es noch nicht einmal passiert. Meistens sprachen sie über diese Zeit, als wenn er verreist gewesen wäre. Oder im Koma. Was beides nicht erklären würde, wieso er noch genauso aussah wie damals, oder warum sein Herz nicht klopfte, oder er nicht atmete. Nicht schlief.
Bess konnte sich nicht vorstellen, wie es für ihn sein musste, und so gab sie ihm ihren Körper, wenn er ihn brauchte. Wenn er neben ihr schlafen wollte, eng aneinandergeschmiegt, erlaubte sie es, auch wenn sie es eigentlich hasste, im Schlaf berührt zu werden. Wenn er sie bat, ihm zu sagen, wie sehr sie ihn vermisst hatte, dann sagte sie es ihm. Wenn er den Fernseher ausstellte oder die Zeitung weglegte, damit sie sich auf ihn konzentrierte und er die Veränderungen in der Welt ignorieren konnte, dann tat sie auch das.
Sie gab ihm, was er wollte, weil sie sich nicht vorstellen konnte, wie es war, zu sterben und zurückzukehren – und weil es einfacher war, als von ihm zu hören, wie es sich wirklich anfühlte.
Das Wasser war noch nicht kalt, als sie sich entschied, es gut sein zu lassen. Sie wusste, wenn sie noch ein bisschen länger in der Dusche bliebe, würde Nick kommen und nach ihr sehen. Bess stellte die Brause ab, trat aus der Dusche und hüllte sich in ihren leichten seidenen Bademantel. Andy hatte ihn ihr aus Japan mitgebracht und sie damit aufgezogen, dass sie nun seine kleine Geisha sei. Jetzt klebte die Seide an ihrem feuchten Körper, während sie den Gürtel zuband. Am Waschbecken putzte sie die Zähne und reinigte sie mit Zahnseide. Dann trug sie eine feine Schicht ihrer teuren Gesichtscreme auf. Sie betrachtete die feinen Linien um ihre Augen. Andy nannte sie Krähenfüße, aber Bess zog es vor, von ihnen als Lachfalten zu denken. Zumindest war ihr Leben mit genügend Lachen angefüllt gewesen, um ihr Gesicht damit zu kennzeichnen.
„Hey, Baby.“ Nick streckte seine Hand nach ihr aus, als sie das Wohnzimmer betrat, wo er gerade eine Patience legte. Er zog sie auf seinen Schoß und ließ eine Hand zwischen ihre Schenkel gleiten, woraufhin sie zusammenzuckte und er sie stirnrunzelnd ansah. „Was ist los?“
Der Kosename klang aus seinem Mund immer noch ungewohnt, auch wenn die darin mitschwingende Zärtlichkeit Bess gut gefiel. Sie küsste Nick und legte dann den Kopf an seine Schulter. „Nichts. Ich bin nur ein wenig wund.“
Der Druck seiner Finger auf ihren Schenkeln ließ etwas nach. „Von mir?“
Bess zog mit dem Finger die Schrift auf der Vorderseite seines T-Shirts nach. „Mach dir keine Gedanken darüber.“
Er legte seine hohle Hand sanft über ihre Mitte. „Du bist hier unten so heiß.“ Er rührte keinen Finger, sondern hielt sie einfach nur. „Es tut mir leid, wenn ich dir wehgetan habe.“
Bess lachte. „Wir hatten einfach nur sehr viel Sex, das ist alles. Das wird schon wieder.“ Sie setzte sich auf, um ihn anzusehen, und als er sie küsste, sandte dieser Kuss, genau wie vorher der Kosename, einen angenehmen Schauer über ihren Rücken. „Ich muss jetzt allerdings noch mal los, ein paar Besorgungen machen.“
Etwas zu essen und richtige Kleidung für Nick, zum Beispiel. Sie war jetzt seit zwei Wochen hier, und außer ein paar kurzen Trips in den Ort hatte sie noch nicht wirklich eingekauft.
Nick runzelte die Stirn. „Ja. Ich schätze, das musst du wohl.“
Sie umfasste seinen Nacken und drehte seinen Kopf, damit er sie ansah. „Ich bringe mit, was immer du willst. Was brauchst du?“
Nick bat sie, aufzustehen, dann trat er an die Schiebetür zur Veranda und schaute hinaus. „Du könntest mir ein paar Zigaretten mitbringen.“
Er konnte weder essen noch trinken noch atmen, aber rauchen? „Sonst noch was?“
Sein zu lässiges Schulterzucken verriet ihr mehr, als er sehr wahrscheinlich verraten wollte. „Ein paar langärmlige T-Shirts. Boxershorts. Eine Jogginghose.“
„Okay.“ Bess ging zu ihm und schlang ihre Arme um seine Taille. Sie legte ihre Wange an seinen Rücken, und so standen sie für ein paar Minuten, bis er sich umdrehte, um sie ebenfalls zu umarmen.
„Komm schnell wieder“, sagte er schroff, und Bess versteckte ihr Lächeln an seiner Brust.
Früher war alles, was sie gewollt hatte, zu wissen, dass Nick sie wollte. Und auch wenn sie
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