Tiefer - Im Sog der Lust (German Edition)
beide bisher vermieden hatten, darüber zu sprechen, wie es werden sollte, wenn nächste Woche Bess’ Söhne anreisen würden, zweifelte sie doch nicht daran, dass Nick sie wollte. Er hatte nicht gesagt, dass er sie liebte. Und sie hatte es auch nicht gesagt.
Sie hob den Kopf für einen Kuss, den er ihr auch gab, und ging dann ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Sie schlüpfte in Slip und BH, zog ein fließendes Sommerkleid und eine passende Strickjacke sowie ihre Sandalen an. Zusammen mit der Handtasche schnappte sie sich die Sonnenbrille und ihre Schlüssel, gab Nick einen kurzen Abschiedskuss und ging hinunter zum Carport.
Sie hatte ihn nicht gebeten, sie zu begleiten, und er hatte nicht gefragt, ob er mitkommen könnte. Bess vermutete, dass sich dahinter der gleiche Grund verbarg wie hinter seiner Weigerung, fernzusehen oder Zeitung zu lesen. Nick wollte die Veränderungen in der Welt nicht sehen. Oder vielleicht wollte er auch einfach nur nicht zufällig jemandem über den Weg laufen, der ihn kannte und dem er dann seine wundersame Rückkehr würde erklären müssen.
Auf der Maplewood Street in Richtung der Route 1 dachte Bess über Nicks Familie nach. Sie wusste nicht viel über sie, nur dass er bei seiner Tante und seinem Onkel aufgewachsen war, die in Dewey Beach lebten. Bess hatte sie niemals kennengelernt, und Nick hatte auch selten über sie gesprochen. Die Chancen standen allerdings gut, dass sie noch da wohnten. Aber was für einen Zweck hätte es, wenn er sie besuchen würde?
Konnten sie ihn überhaupt sehen?
Bess bog auf den riesigen Parkplatz des Supermarkts ein, stieg aber nicht aus. Eine Welle plötzlicher eiskalter Schauer überlief ihren Körper und ließ sie erzittern. Auch wenn es schon die erste Juniwoche war, stellte sie die Heizung im Auto auf die höchste Stufe und biss die Zähne aufeinander, um sie vom Klappern abzuhalten. Ihr Magen drehte sich um, und sie schluckte mehrmals, um die aufsteigende Galle zu bekämpfen.
Ihre Trennung von Andy, auch wenn es ihre Entscheidung gewesen war … die Rückkehr ins Strandhaus … hatte das alles zu einem Nervenzusammenbruch geführt? Sie hatte so viele Jahre damit verbracht, sich an Nick Hamilton zu erinnern … hatte sie ihn sich nur ausgedacht, genau wie die Erklärung, wieso er in all den Jahren nicht zu ihr gekommen war, wie er es versprochen hatte? Ihr Leben war auf den Kopf gestellt worden. Griff sie nun nach jedem Strohhalm, um es irgendwie besser zu machen?
Unter der Kraft der trockenen Hitze aus der Heizung hörten ihre Zähne auf zu klappern, aber sie hatte immer noch Gänsehaut an Armen und Beinen. Bess schob den Saum ihres Kleides hoch. Der verblassende blaue Fleck auf dem Knie könnte auch von einer unsanften Begegnung mit dem Wohnzimmertisch herrühren und nicht notwendigerweise davon, Nick auf dem Küchenboden kniend einen zu blasen. Die beiden dunklen Ringe auf der Innenseite ihrer Schenkel könnten Mückenstiche sein, die sie aufgekratzt hatte, und nicht Abdrücke seiner Finger. Sie drückte eine Hand auf ihre Muschi. Diesen süßen Schmerz hier unten konnte sie sich allerdings nicht wegerklären. Er stammte tatsächlich daher, gründlich, wahnsinnig, unglaublich und ständig gefickt worden zu sein.
Bess stöhnte auf und ließ den Rock wieder über ihre Knie fallen. Sie umfasste das Lenkrad mit beiden Händen. Schweiß rann ihre Schläfe hinunter, obwohl ihr immer noch kalt war. Sie drehte die Heizung ab. Um sie herum auf dem Parkplatz schoben Leute in T-Shirt und Shorts ihre Einkaufswagen. Die Sonne schien. Sommer.
Es war Sommer, und Bess hatte den Verstand verloren.
Sie suchte in ihrer Tasche nach einer Rolle Pfefferminzbonbons, um den sauren Geschmack auf der Zunge loszuwerden. Langsam ließ sie den Bonbon im Mund zergehen. Die Luft im Auto war jetzt zu heiß, und sie öffnete ein Fenster. Die vertrauten Geräusche von quietschenden Einkaufswagen, Verkehr und Unterhaltungen beruhigten ihren Magen besser als das Pfefferminz. Bess nahm sich noch eines und zerbiss es. Sie atmete tief durch.
Nur weil sie nicht wusste, ob noch jemand außer ihr Nick sehen konnte, hieß das ja nicht, dass er nur in ihrer Vorstellung existierte. Sie hatte ihn berührt, ihn gespürt, gerochen und geschmeckt. Er war echt. Wie das sein konnte, war eine Frage, auf die sie keine Antwort hatte, aber die Erklärung konnte nicht sein, dass sie verrückt geworden war.
Sie hatte ihn niemals vergessen, aber sie hatte sich die letzten zwanzig Jahre
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