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Tier zuliebe

Titel: Tier zuliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Klaus
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wenn man es schafft, sich in Askese zu üben – denn nichts anderes ist es ja, wenn ich mit leckeren Fleischgerichten konfrontiert »Nein danke« sage –, tut ihr Übriges. Ich bin Herr meiner selbst.
    Ich könnte allerdings auch davon berichten, dass ich aussehe wie ein Streuselkuchen. Ja, ich habe Pickel bekommen. Ungeschminkt sehe ich aus, als wäre ich in der Pubertät. Das ist schon beunruhigend, denn mit Mitte vierzig will man da ja eigentlich nicht mehr hin. Vor allem: Woran liegt das? Hat es überhaupt mit dem Fleischverzicht zu tun? Ich lese ein weiteres Mal das Kapitel »Umstellung auf vegetarische Ernährung« aus dem Buch Vegetarisch leben , das mich bei meinem Experiment begleitet. Offenbar geschieht etwas mit den Verdauungsorganen, die durch die industrialisierte Kost geschwächt und durch Unmengen an Gluten – in Industrienahrung – verklebt sein sollen. Klingt recht unappetitlich. Wenn der Körper dann gesunde, reinigende Nahrung bekommt, entgiftet er sich erst mal. Das, so heißt es, kann zu einer »Erstverschlimmerung« führen, die meinen Zustand erklären würde. Nur nicht irritieren lassen von den Kommentaren diverser Mitmenschen, lautet ein gutgemeinter Tipp. Ich lasse mich nicht irritieren. Außerdem habe ich eine gute Maskenbildnerin. Aber all diese Veränderungen sind sicher nicht nur darauf zurückzuführen, dass ich seit drei Monaten kein Fleisch mehr esse. Ich esse insgesamt gesünder und überlegter. Das ist übrigens etwas, das ich mit vielen Vegetariern gemeinsam habe: Sie ernähren sich allgemein gesünder, treiben mehr Sport, rauchen seltener und trinken weniger Alkohol.
    Epidemiologen des deutschen Krebsforschungsinstituts Heidelberg haben von 1978 bis 1999 die bislang größte Studie über Vegetarismus durchgeführt. Es sollte geklärt werden, ob Vegetarier grundsätzlich gesünder sind und länger leben. Das recht unspektakuläre Fazit: »Ein bisschen Fleisch schadet nicht, wenn man sonst gesund lebt.« Dass Vegetarier aber meist trotzdem gesünder leben als Fleischesser, ist kein Geheimnis. So haut einen ein weiteres Ergebnis der Studie nun auch nicht gerade vom Hocker: Vegetarier haben ein tendenziell geringeres Risiko als Nicht-Vegetarier, an einer koronaren Herzerkrankung zu sterben. »Dieser Befund erreichte zwar keine statistische Signifikanz, lässt sich aber durchaus mit der Fleischabstinenz erklären und steht in Einklang mit der Hypothese, dass tierische Fette und cholesterinreiche Kost die koronare Herzkrankheit begünstigen« 19 , so die Leiterin der Studie, Prof. Jenny Chang-Claude. Auf meine Anfrage beim Krebsforschungszentrum hin zeigt sich dann aber der Haken an der Studie, nämlich dass die Teilnehmer zum Teil keine reinen Vegetarier waren. Fast täglich rufen dort Journalisten an und wollen wissen, ob es inzwischen weitere und konkretere Untersuchungen zum Thema gibt. Doch leider ist dem nicht so. Eine Frage des Geldes, wie man mir sagt. »Wer soll das bezahlen?«
    Ob nun ein wenig Fleisch schadet oder nicht, Tatsache ist: Viel Fleisch schadet sehr wohl, wohingegen man nichts falsch macht, wenn man ovo-lacto-vegetarisch isst. Und was meine neue Ernährung betrifft, so kann ich die so zusammenfassen: leicht und vitaminreich. Entgegen den Predigen morgens zu frühstücken wie ein Kaiser, mittags zu speisen wie ein König und abends wie ein Bettler, trinke ich morgens nur einen riesigen Sojamilchkaffee, am Vormittag eine Buttermilch und Brottrunk und esse mittags Salat, Obst, Nüsse und Joghurt mit Sanddornsaft. Abends koche oder brate ich Gemüse und Tofu in Öl, manchmal schiebe ich Tomaten mit Käse in den Ofen. Das klingt vielleicht spartanisch, doch dafür esse ich all das Aufgezählte in rauen Mengen. Ich kann nun guten Gewissens von mir behaupten, dass ich vom Puddingvegetarier zum echten Ovo-Lacto-Vegetarier geworden bin. Ich habe – ungeplant und unbemerkt – drei Kilo abgenommen und fühle mich gesund und wohl. Vielleicht ist ja auch mein Unterbewusstsein froh, dass es nicht mehr den Tod von Tieren verdrängen muss, dass ich Tieren jetzt auf der viel beschworenen Augenhöhe begegnen kann.
    So wie gestern Abend, als ich mit ein paar Leuten auf einen Absacker bei einer guten Freundin war. Plötzlich hatte sie ein kleines, süßes Entenküken in der Hand und die Gäste scharten sich um sie und lauschten der Geschichte von der glorreichen Rettung des Entchens: Eine Entenfamilie spazierte über einen Gully und zwei der Jungen fielen unbemerkt hinein. Meine

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