Tier zuliebe
Freundin hat sie mit viel Mühe wieder herausgeangelt und zieht sie nun mit ihrer Tochter auf, mit Haferschleim und Körnern. Jetzt wollte jeder den Findling streicheln – begleitet von begeisterten »Ahs« und »Ohs«. Ich stand dabei und frage mich, wie dieser Spagat immer wieder gelingen kann: Man zieht mühe- und liebevoll ein Entenküken auf, kann aber auch eine Entenbrust in die Pfanne hauen … Ich habe es mein Leben lang nicht anders gemacht und bin nun in solchen Situationen erleichtert, dass ich nicht mehr dazugehöre, zu den Fleischessern.
Ausbleibende Einladungen
Nun habe ich zu hören bekommen, was ich immer befürchtet habe: »Wir hätten dich ja eigentlich gerne mal zum Essen eingeladen, aber du isst ja jetzt kein Fleisch mehr … und Sau cen …« Es ist mein Vater, der da so offen spricht, und in der Tat ist mir aufgefallen, dass ich in letzter Zeit so selten wie nie zuvor zum Essen eingeladen war – gleichzeitig aber auch selbst schon länger kein Essen mehr veranstaltet habe. Teils wohl noch aus Angst, meine Gäste wären enttäuscht, wenn sie kein Fleisch bekämen. Teils aber auch, weil ich es jetzt genieße, spartanisch zu kochen – ganz ohne Schnickschnack. Gemüse in Öl geschwenkt, ein wenig Knoblauch, ein paar Kräuter, das reicht mir. Ich habe gar keine Lust, viel mehr Aufwand zu treiben.
Aus einer Planet Wissen -Sendung mit Prof. Konrad Beyreuther vom Heidelberger Zentrum für Molekulare Biologie weiß ich auch faktisch: Je weiter man sich von industriell vorgefertigter Nahrung entfernt, desto besser geht es einem. Der Geschmacksverstärker Glutamat beispielsweise, der in vielen Fertiggerichten wie Tütensuppen, Eintöpfen, Würstchen, Knabberzeug oder Saucen enthalten ist, kann laut Beyreuther Gehirnzellen töten, in höherer Dosis ist nicht ausgeschlossen, dass der »weltweit wichtigste Zusatz der Nahrungsindustrie« als »Nervenzellgift« wirkt. Mögliche Spätfolgen: Alzheimer und Parkinson. Mir genügt schon der Hinweis auf mögliche gesundheitsschädliche Wirkungen, um meinen Speiseplan anzupassen. Ich brauche keine hundertprozentigen Beweise, wenn ich ohne große Mühe etwas vorsorglich verzichten kann.
Und wenn ich Gemüse schnipsele und in Öl anbrate, weiß ich, was ich in der Pfanne habe. Hat man seinen Geschmack erst mal back to the roots gebracht, kann man sich an der Zubereitung solcher Mahlzeiten besonders erfreuen. »Aber das kostet heutzutage zu viel Zeit, wenn man selber kocht«, meinte gestern ein Freund. Wenn 5 bis 10 Minuten fürs Garen von Zucchini oder Brokkoli zu viel sind, hat er natürlich recht …
Ein vegetarisches Fleischgericht
Mein Sohn und seine Freundin S. stehen heute gemeinsam in der Küche. S. hat ein tolles Gericht aus einem meiner Kochbücher für uns alle ausgesucht. Der einzige, kleine Haken am Rande: Es ist mit Hühnerfleisch und Prosciutto. Doch diese Klippe umschiffen die beiden, indem sie zwei verschiedene Arten von Tofu als Ersatz für Fleisch und Schinken nehmen: »Das ist jetzt das ›Hühnchen‹ und das der ›Prosciutto‹«, verkündet S. und zeigt auf einige trockene und unansehnliche Sojaflocken (das Huhn) und ein glattes Stück Tofu (der Schinken). Das Rezept ist kurzerhand vegetarisiert worden. Auf jeden Fall eine sehr kreative Vorgehensweise, ich hätte mir wohl eher gleich ein vegetarisches Gericht ausgesucht.
Ein Problem gibt es dann aber doch noch, und zwar beim Dessert: Die Buttermilch mit Himbeeren soll mit Gelatine eingedickt werden. Während S. schon dabei ist, die Gelatine aufzulösen, hakt Nicolas ein: »Das geht aber nicht!« S. gibt die Frage direkt an mich weiter: »Geht das nicht?« Ich bin eigentlich schon bereit, fünf gerade sein zu lassen, doch Nicolas ist entsetzt: »Das kannst du nicht machen!« Und um seiner Entrüstung noch mehr Ausdruck zu verleihen: »ICH habe NIE Gelatine gegessen, als ich noch Vegetarier war!«
Gut, es ist mir klar, dass diese Inkonsequenz nicht gut wäre, und so suche ich nach einem Mittel, das dem Dessert trotzdem zur gewünschten Konsistenz verhilft. Ich finde Biobin, einen Saucenbinder aus dem Reformhaus, der seit Monaten sein Dasein in meinem Kühlschrank fristet. Um es gleich zu sagen: Das Dessert wird uns nicht schmecken – Biobin ist kein Ersatz für Gelatine, es schmeckt sämig und ich habe ein richtig schlechtes Gewissen, dass meinetwegen das so freudig angekündigte und aufwändige Menü nun kein Rundumerfolg wird. Dabei hätte ich wahrscheinlich gar nicht so genau
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