Tiffamy Duo Band 29
verschwand dann aber ebenso schnell, wie er gekommen war.
„Nein, du würdest deine Pferde nicht im Stich lassen", murmelte er. „Gut", sagte er laut. „Ich werde dir helfen. Du nimmst die rechte Seite, ich die linke."
Kendra nickte kurz und beeilte sich, die Türen auf ihrer Seite zu öffnen. Luft... sie brauchte frische Luft. Doch statt einzuatmen, hielt sie die Luft an und öffnete mit letzter Kraft die letzte Tür. Fast hätte das Pferd sie umgerannt, als es in Panik seine Box verließ. Für einen Augenblick lehnte sich Kendra erschöpft gegen die Wand und schloss die Augen, um neue Kraft zu schöpfen.
„Das war die letzte Tür auf deiner Seite", hörte sie Raymond sagen.
„Jetzt aber nichts wie raus hier!"
Kendra öffnete die Augen und versuchte, durch den Qualm zu spähen. Raymond warf einen Blick in ihre Richtung und fuhr dann fort, die Türen auf seiner Seite zu öffnen. Benommen hielt Kendra sich an der Wand fest und beobachtete ihn. Sie sah, wie sich seine Schultermuskeln strafften und ihm der Schweiß in Strömen den Rücken hinunterlief. Dennoch wirkte er ganz entspannt. Er war Herr der Lage — selbstsicher, auch im allergrößten Chaos.
Und noch etwas entging ihr nicht. Die Pferde stampften nicht mehr vor Furcht, sondern standen im beißenden Rauch betäubt in ihren Ställen. Trotz der Gefahr nahm er sich Zeit und führte jedes Pferd einzeln mit beruhigenden Worten hinaus. Ganz wie der alte Raymond. Er verlor weder die Kontrolle, noch wurde er nervös. Einem nach dem anderen legte er ihnen die Halfter an. Er sprach mit ihnen, flüsterte ihnen etwas ins Ohr und schob sie sanft drängend aus der Tür. Sie hätten ihn in ihrer Panik mit den Hufen töten können, doch nichts dergleichen geschah.
„Kendra, du musst raus hier!" Trotz ihrer Benommenheit hörte sie, wie schroff seine Stimme klang. Mit großer Anstrengung gelang es ihr, die Benommenheit abzuschütteln. Es kam ihr vor, als ob alles um sie herum wie in einem Film ablief.
Raymond stand wie angewurzelt und starrte gebannt gegen die Stalldecke. Ein Pferd schrie in allergrößter Not, und plötzlich war Kendra klar, dass er es nicht schaffen würde, alle Pferde zu befreien.
Das konnte sie nicht zulassen. Dieser schreckliche Gedanke brachte sie wieder in die Wirklichkeit zurück. Sie stieß sich von der Wand ab und stolperte zur Pferdebox gegenüber, suchte nach dem Griff und zog daran. Doch die Tür klemmte. Mit aller Kraft rüttelte sie so lange daran, bis sie endlich aufsprang. Das Pferd kam heraus, tänzelte einen Augenblick orientierungslos herum, bis es die große Stalltür entdeckte. Wie ein Pfeil schoss es hinaus ins Freie.
In diesem Moment fiel mit gewaltigem Getöse ein brennender Balken über der Tür herunter. Kendra schrie auf. Raymond ergriff ihren Ellenbogen und zog sie weg von der Tür. Keuchend rang sie nach Atem, denn der beißende Qualm stach schmerzhaft in der Lunge. Sie konnte kaum erkennen, was wirklich vor sich ging. Trotzdem versuchte sie, sich aus seinem Griff zu lösen. Raymond will mich daran hindern, alle Pferde zu befreien, schoss es ihr durch den Kopf.
„Die Pferde", schrie sie. Glühende Asche flog ihr plötzlich ins Gesicht. Doch sie kämpfte weiter, um sich aus seinem eisenharten Griff zu befreien. Mit aller Kraft biss sie ihn in den Arm, so dass er sie losließ. „Die Tür! Dort entlang! Wir müssen dort entlang! Die Pferde! Ich muss die Pferde retten. Lass mich los!"
Sie hörte, wie er fluchte. Brennender Schmerz durchzuckte sie plötzlich. Raymond hatte sie gepackt und sie wie einen Sack über seine Schulter geworfen. Kendra war dabei mit dem Kinn gegen sein Schlüsselbein gestoßen. Alles um sie herum schien sich zu drehen. Mit allerletzter Kraft hämmerte sie mit ihren Fäusten gegen seinen Rücken. Doch es war vergeblich.
„Du Närrin", hörte sie ihn ärgerlich ausrufen. „Es hat keinen Sinn weiterzukämpfen! Uns werden gleich die Lungen vor Hitze platzen. Wir können nicht alle Pferde retten!"
„Lass mich gehen!" Als Raymond sie nicht gerade sanft auf die Füße stellte, schwankte sie, aber nur einen Moment. Dann unternahm sie einen zweiten Versuch, zurück zu den Boxen zu rennen.
Doch nach drei Schritten hatte er sie eingeholt. Wieder hielt er sie wie in einem Schraubstock fest.
„Du gemeiner Kerl! Was willst du? Mich töten? Oder nur die Pferde? Geh mir aus dem Weg, bevor ich ..." Sie konnte den Satz nicht zu Ende sprechen, denn ein weiterer Balken fiel funkensprühend herab. Dort,
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