Tiffamy Duo Band 29
seine mintfarbene Limousine an einer der beiden Zapfsäulen aufgetankt und fuhr gerade wieder an, als sie rückwärts fahrend den Parkplatz verließ, der zu der Tankstelle gehörte. In der Staubwolke, die sie dabei verursachte, tauchten schemenhaft die beiden Zapfsäulen auf. Ein junger Mann in ölverschmierten Jeans lehnte an der einen, während Raymonds Wagen gerade anfuhr und auf sie zugeschossen kam. Kendra trat hart aufs Bremspedal, doch der Wagen kam gefährlich näher.
Und noch bevor ihr klar wurde, dass sie noch immer den Rückwärtsgang eingelegt hatte, prallte sie auch schon gegen den Wagen. Kendra stieß mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe, während sie mit dem Brustkorb auf das Steuerrad schlug. Bevor sie Luft holen konnte, wurde sie in ihren Sitz zurückgeschleudert.
Kendra fuhr sich vorsichtig mit der Hand über die Stirn und versuchte, tief durchzuatmen. Nein, ihre Rippen hatten keinen Schaden genommen. So war alles in Ordnung. Sie hatte schon ganz andere Verletzungen davongetragen, wenn sie vom Pferd gefallen war.
Sie seufzte erleichtert auf. Dann drehte sie sich um, um den Wagen hinter sich zu begutachten. Der Schaden war schlimmer, als sie erwartet hatte. Ihre hintere Stoßstange hatte sich in die vordere des anderen Wagens verkeilt. Kendra drehte sich wieder um und schlug mit der Faust auf das Lenkrad.
Das hatte ihr gerade noch gefehlt! Wütend stieß sie die Autotür auf und stieg aus. Ungeduldig trat sie von einem Fuß auf den anderen, während sie darauf wartete, dass sich der andere Fahrer bequemte auszusteigen. Aber es passierte nichts.
Plötzlich schoss ihr durch den Kopf, dass er verletzt sein könnte. Sie drehte sich um und sah durch die Windschutzscheibe. Vielleicht. . . aber nein, das war ausgeschlossen. Keiner von ihnen war so schnell gefahren, dass jemand hätte ernstlich verletzt werden können. Und der Anblick, der sich ihr bot, gab ihr recht. Der Mann saß kerzengerade hinter dem Lenkrad. Der vage Gedanke, diese Szene schon einmal erlebt zu haben, verschwand so schnell wieder, wie er gekommen war. Kendra beugte sich noch weiter vor, um einen besseren Blick in das Wageninnere und auf den Fremden werfen zu können.
Er hatte ein ausgeprägtes Profil. Äußerlich war ihm kaum anzumerken, dass er hart und unnachgiebig sein konnte, und bei flüchtigem Hinsehen unterschied er sich kaum von den netten Ranchersöhnen, mit denen sie aufgewachsen war, bevor sie vor zehn Jahren nach New York ging. Er war älter geworden, alt genug, um jetzt selbst einen oder zwei Söhne haben zu können. Das dunkle Haar, das an den Schläfen bereits ergraut war, trug er ziemlich lang, so dass es fast auf den Kragen seines Jacketts stieß. Sein gebräunter Teint, die feinen Linien um seine Augen und die tiefbraunen Hände, die noch immer das Lenkrad umklammert hielten, waren Beweise dafür, dass er sich viel im Freien aufhielt. Es gab eigentlich nichts an ihm, das ihn aus der Menge anderer attraktiver Männer hervorhob, die es gewohnt sind, im Freien zu arbeiten . . . außer, dass er einen teuren anthrazitfarbenen Anzug trug. Und dann war da noch diese fast unsichtbare Härte, die sie unter seinem so attraktiven Äußeren zu spüren glaubte.
Plötzlich wurde Kendra bewusst, dass sie den Fahrer des Wagens schon eine ganze Weile angestarrt haben musste. Angst kam in ihr hoch. Warum saß er noch immer in dem Auto? War er vielleicht doch verletzt? Sie richtete sich wieder auf, blickte umher und überlegte, ob sie ans Fenster klopfen oder Hilfe holen sollte.
Als sie noch einmal unentschlossen in den Wagen sah, drehte sich der Mann zu ihr um. Kendra hatte plötzlich das Gefühl, als ob man ihr den Boden unter den Füßen wegzöge.
Das Wiedererkennen war so unerwartet wie ein Schlag ins Gesicht. Die Erde schien sich um sie zu drehen, und sie musste sich auf den Kühler stützen. Es dauerte einige Zeit, bis sie sich wieder gefangen hatte.
Raymond! Es war Raymond Durant.
Seitdem sie New York vor sechs Tagen verlassen hatte, hatte sie oft an ihn gedacht. Sie hatte sich daran erinnert, wie er sie berührt hatte — nur ein einziges Mal. Und dieser kurze Moment lag schon so lange zurück, dass er eigentlich längst hätte verblasst sein müssen. Aber das war nicht der Fall. Das ist nur natürlich, hatte sie sich während der langen Fahrt eingeredet. Diesen Sommer vor zehn Jahren würde sie nie vergessen! Trotzdem hatte sie nicht erwartet, dass sich ihre Wege noch einmal kreuzen würden und dass es eine solche
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