Tiffany Duo 48
diesem
Tag nicht mit dabei. Es hieß 'aus persönlichen Gründen', und der gute Lee hier", er wies mit dem Kopf wieder zu dem Mann, "ist einfach durchgedreht. Seitdem kann
ich hier einmal am Tag das ganze Zimmer aufräumen."
Henshaw runzelte die Stirn. Das klang nicht gut. Er war gerade von einem Kongreß in
Chicago zurückgekehrt und hatte von Dr. Jones erfahren, daß Lee Johnston einen
Rückfall hatte. "Du vermißt Kaylie, stimmt's, Lee?" fragte er, aber der Patient saß nur reglos am Fußende des Bettes und antwortete nicht. Wie im Gebet hielt er
die Hände im Schoß verschränkt.
Nachdenklich sah Dr. Henshaw ihn an. Lee war schon immer ein besonders
schwieriger Fall gewesen. Er setzte sich neben den Patienten auf das Bett. "Findest du es schlimm, wenn Kaylie nicht in der Show ist?" wollte er wissen.
Keine Reaktion, nur Lees Lippen zuckten leicht.
"Selbst die Leute vom Fernsehen machen manchmal Urlaub. Auch sie brauchen hin
und wieder etwas Freizeit."
"Er spricht heute nicht", sagte Rick und packte kopfschüttelnd die Bücher zurück ins Regal. "Weder mit mir noch zu sonst jemandem. Ich glaube, er wartet auf die
Vormittagsshow." Über die Schulter hinweg sah er den Arzt an-"Hoffen wir, daß sie wieder dabei ist. Vielleicht beruhigt Lee sich dann."
Rick ging aus dem Raum, und Henshaw versuchte vergeblich, mit Lee zu reden. Der
Mann war still, aber trotzdem völlig verkrampft. Er schien den Arzt neben sich gar
nicht zu bemerken. Nach zehn Minuten gab Henshaw auf. Er mußte noch zu
anderen Patienten, und in einer halben Stunde fand eine Besprechung statt.
Die Hände in den Taschen ging er durch lange Flure zum Bürotrakt. Aus seinem
Zimmer ganz am anderen Ende des Gebäudes konnte er in den großen Garten
sehen. Er ließ sich in den Sessel fallen und fragte sich, ob Lee Johnston jemals
wieder gesund würde. Dennoch hatte man in Erwägung gezogen, ihn zu entlassen.
Abgesehen von ein paar Vorfällen hatte Johnston sich mustergültig verhalten.
Henshaw spielte nachdenklich mit einem Kugelschreiber. Ein paar Leute hatten sich
immer wieder nach Johnston erkundigt. Oft genug hatte der Ex-Mann von Kaylie
Melville ihn angerufen. Anscheinend hing der Mann immer noch an dieser Frau.
Genau wie Lee. Und dann war da noch Kaylies Mitarbeiter, Alan, der offensichtlich
immer wieder mit ihr
zusammenarbeitete. Es gab sogar Gerüchte über eine Verlobung, doch das alles war
Dr. Henshaw ziemlich egal. Solange es nicht seinen Patienten betraf.
Ein paarmal hatte Dr. Henshaw Kaylie getroffen, und selbst er, der seit
siebenundzwanzig Jahren glücklich verheiratet war und zwei Enkel hatte, konnte
verstehen, daß es Männer gab, die beim Anblick von Miss Melville verrückt wurden.
Ob sie es wußte oder nicht, sie hatte eine unglaublich aufreizende Ausstrahlung.
Der Arzt schob sich das schüttere Haar aus der Stirn und legte seine Brille auf den
Tisch. Wie konnte er Lee bloß helfen? Nur durch ein Wunder würde er Johnston
davon überzeugen
können, daß Kaylie kein Interesse an ihm hatte.
***
Es dauerte Stunden, bis sie zurück in San Francisco war. Während der langen Fahrt
durch die Berge kämpfte Kaylie immer wieder gegen ihr schlechtes Gewissen an. Die
Sonne ging allmählich auf, und Kaylie schob ihre Zweifel beiseite. Jetzt war nicht die Zeit, in ihrem Entschluß zu wanken.
Beim Gedanken an Don und wie er mit ihr geschlafen hatte, schnürte sich ihr die
Kehle zu. Sie hörte noch die geflüsterten Liebesschwüre und roch den Duft seines
Körpers. Immer noch sah sie ihn nackt auf dem Bett liegen.
Mit einem raschen Blick in den Rückspiegel stellte sie fest, daß sie schwarze Ringe
unter den Augen hatte. "Ach komm schon", sagte sie aufseufzend zu sich selbst.
"Vergiß ihn!" Hatte er es nicht verdient, dort oben zurückgelassen zu werden?
Doch das Feuer ihrer Leidenschaft konnte sie nicht so rasch verdrängen. Mit welcher
Zärtlichkeit er sie geküßt hatte!
Er war gleichzeitig wundervoll und schrecklich, und Kaylie wollte nicht, daß er aus
ihrem Leben verschwand. Um zu vergessen, schaltete sie das Radio ein und
versuchte, einen Nachrichtensender zu empfangen. "Du schuldest ihm nichts. Nach
allem, was er dir angetan hat!"
Sie bog auf die Schnellstraße in Richtung Westen nach San Francisco. Bei der
Zentrale vom Sicherheitsdienst würde sie Dons Wagen mitsamt den Schlüsseln
abgeben. Wenn sie Brad Hastings, Dons engsten Mitarbeiter, traf, würde sie ihm
sagen, wo er seinen Chef abholen
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