Tiffany Duo Band 128
überfiel. Das musste er mit aller Kraft verhindern.
„Karten", schlug John vollkommen unvermittelt vor und scheuchte seine Gedanken beiseite. „Ich glaube, jetzt ist es Zeit für eine Runde Karten."
„Gute Idee", sagte Lucy mit einem spitzbübischen Lächeln. „Ich kann dir auch mit Karten die Zukunft vorhersagen. Ich muss nur die Zweien, Dreien, Vieren und Sechser herausnehmen." Plötzlich sah sie sehr sinnlich aus, und die Verletzlichkeit von eben war vergessen. „Du bist Pikbube und ich Herzdame."
John sah sie an. „Herzdame?" Wie passend.
„Ja, in der Kartenlehre ist eine blonde Frau die Herzdame, ein dunkelhaariger Mann der Pikbube."
„Und ein alter dunkelhaariger Mann?" fragte John trocken. Er fühlte sich weiß Gott uralt.
„Pikkönig." Sie lächelte ihn strahlend an. „Die Karten werden uns unsere Zukunft verraten."
Die Zukunft war ihm im Moment herzlich egal, und er würde bestimmt nicht ruhig zuhören, wie Lucy sein Liebesleben skizzierte. „Nein danke, ich habe genug Weissagungen gehört. Lass uns mit den Karten besser spielen, als sie als Orakel zu benutzen." Damit stand er auf, nahm Weinflasche und Gläser in die Hand und ging hinunter in die Küche. Lucy hatte für heute genug getrunken, und wer wusste, was geschehen würde, wenn auch er noch mehr trank.
In der Schublade des Küchentischs fand er tatsächlich noch ein altes Kartenspiel. Es war wohl schon ein wenig ramponiert und abgegriffen, aber erfüllte seinen Zweck. Als er in sein Arbeitszimmer zurückkam, sah Lucy ihn abwartend an.
„Janet bleibt manchmal mit mir auf, aber sie zieht Poker vor." „Wer ist Janet?"
„Ich teile mir mit ihr den Wohnwagen. Sie ist die tätowierte Dame aus dem Spiegellabyrinth, falls du zufällig dort warst. Jeder Zentimeter auf ihrer Haut ist tätowiert, und sie kann die Bilder durch ihre Muskeln in Bewegung bringen."
„Die tätowierte Dame", wiederholte John und setzte sich zu Lucy auf den Boden. „Schade, irgendwie habe ich die verpasst."
„Ja, wirklich zu schade", neckte ihn Lucy.
Sie teilte die Karten aus, und John konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Am liebsten hätte er seine Finger durch ihr Haar gleiten lassen, um zu sehen, ob es sich so seidig anfühlte, wie es aussah. Lucy besiegte ihn in jedem Spiel, Runde um Runde, bis die Morgensonne durch die Fenster schien. Sie bat John nicht wieder, sie zu halten, und obwohl sich alles in ihm danach sehnte, sie wieder zu berühren, hielt auch er sich auf Abstand.
Als sie schließlich die Karten hinwarf und sich im schwachen Licht des Morgens erhob, wusste er, dass er sich, falls sie jetzt dicht an ihm vorbeiginge oder ihn gar berühren würde, nicht mehr länger würde beherrschen können. Doch sie ging so vorsichtig an ihm vorbei, als wenn sie sich dessen bewusst wäre.
„Hast du einen alten Bademantel, den du mir leihen könntest?" fragte sie, als sie in den Flur trat.
„In meinem Schrank", erwiderte er und deutete auf sein Zimmer. Lucy ging hinaus und er folgte ihr fast zögerlich.
Zielstrebig betrat sie sein Zimmer, öffnete den Schrank und suchte, bis sie gefunden hatte, was sie brauchte. Dann drehte sie sich langsam zu John um, der mittlerweile im Türrahmen seines Schlafzimmers stand. Für einen Moment stand die Zeit still. „John, ich ... vielen Dank. Für alles."
Dann ging sie an ihm vorbei auf den Flur. John hatte plötzlich das Gefühl, soeben ein Stück der wahren Lucy gesehen zu haben, ihre ungeschminkte Seite, ihren Schmerz und ihre Verletzlichkeit.
„Lucy?"
Sie blieb stehen und sah zu ihm zurück.
„Schlaf gut", sagte John und fragte sich, ob er überhaupt ein Auge würde zumachen können.
Das Klopfen an der Haustür wurde immer hartnäckiger und lauter. Lucy wurde wach. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es bereits Nachmittag war. Sie setzte sich auf und zog den Bademantel über das grüne T-Shirt, das ihr als Nachthemd diente.
Der Morgenrock war aus einem glänzenden Stoff mit wildem Blumendruck, fast so bunt wie eines der Kostüme, die sie als Lady Lucretia trug. Wer immer John dieses schrille Teil geschenkt hatte, kannte ihn anscheinend nicht besonders gut. Da es offensichtlich das Geschenk einer Frau war, verschaffte das Lucy eine gewisse Genugtuung.
John war schon fast an der Tür, als Lucy an der Treppe anlangte. „Guten Morgen", sagte sie und lächelte.
Er trug nur ein Paar Jeans. Verdammt, wie gut er aussah, stark und männlich und noch ein wenig verschlafen.
„Du bleibst da oben und
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