Tiffany Duo Band 128
Lissas Nerven zum Zerreißen gespannt waren. „Schau nicht so erschrocken", sagte er freundlich. „Wir werden alles klären."
Lissa strich mit dem Handrücken über ihre Stirn. Sie musste unbedingt nachdenken und die Verwirrung und den bohrenden Schmerz vertreiben, der bei dem Gedanken an ihren Vater nicht weichen wollte. Vor allem musste Evan aus ihrem Wohnwagen verschwinden, bevor sie etwas absolut Unvernünftiges tat. Zum Beispiel dem dummen Wunsch nachzugeben, ihn wegen seines „Wir" beim Wort zu nehmen. Oder sich an seine breite Brust zu schmiegen und sich die Augen aus dem Kopf zu heulen.
„Ich glaube, du gehst jetzt lieber."
„Bist du sicher? Ich bin ein guter Zuhörer. Wir können reden oder schweigen, ganz wie du möchtest."
Lissa schüttelte den Kopf. Evan lächelte sie mit jenem schalkhaften Funkeln in den Augen an, dem sie kaum widerstehen konnte. Sie wollte keinem anderen Mann ihre Ängste und ihre Gefühle anvertrauen. Des halb legte sie die Arme um ihre Taille und wartete darauf, dass er ging.
Evan riss sich energisch zusammen. Wie gern hätte er Lissa an sich gezogen. Er hatte die feinen Risse in ihrer brüchigen Schale längst entdeckt und auch den Schmerz bemerkt, den sie unbedingt verbergen wollte, wie sie es die letzten drei Jahre getan hatte. Leider konnte er nichts dagegen unternehmen, solange sie nicht von sich aus die Maske fallen ließ.
„Ich habe Josephine von San Diego aus angerufen und sie gebeten, mich diese Nacht wieder aufzunehmen", sagte er. „Du kannst mich dort erreichen, falls du mich noch brauchst. Sonst sehen wir uns morgen."
Lissa erhob keinen Einwand, was Evan gleich hätte misstrauisch machen sollen. Erst als er zur Tür ging und den Fuß auf die erste Stufe setzte, meldete sich sein Instinkt. Er drehte sich um und hielt erschrocken die Luft an.
Lissa war an die Verkleidung des Wohnwagens gesunken. Sie hatte die Augen geschlossen, die Handflächen an die Wand gepresst und focht einen stummen Kampf mit sich aus. Die einsame Träne, die ihre Wange hinablief, bewies ihm, dass sie den Kampf schon verloren hatte.
Heftiges Verlangen erfasste ihn. Mit zwei riesigen Schritten war er bei ihr und zog sie in die Arme.
„Beruhige dich, Lissa. Wir werden über alles reden, was nötig ist."
Lissa wollte sich wehren, doch Evan ließ sich nicht abschütteln. Er strich ihr übers Haar und spürte, wie die Mauer, die sie um sich herum errichtet hatte, nach und nach einstürzte. Heiße Tränen drangen durch sein Hemd und brannten auf seiner Haut. Sein Herz zog sich schmerzlich zusammen.
„Pst, Liebling. Nicht weinen. Wir können ..."
„Ich weine gar nicht", schluchzte sie an seiner Brust. „Ich weine niemals."
Evan waren Tränen von Frauen nicht fremd. Von Männern auch nicht. Er hatte zu viele Menschen im Zeugenstand zum Reden gebracht und anschließend befriedigt erlebt, wie das Gericht sein Urteil sprach, um ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn ein erwachsener Mann oder eine erwachsene Frau in Tränen ausbrachen.
Die seltsame Hilflosigkeit, die er jetzt verspürte, war ihm jedoch neu. Immer wieder strich er Lissa übers Haar und ließ einen Arm um ihrer Taille liegen. Jeder Schluchzer, jeder verzweifelte Versuch von ihr, die Tränen zurückzuhalten, traf ihn in tiefster Seele.
Evan kämpfte noch mit seiner ungewohnten Hilflosigkeit, als plötzlich ein leises, gefährliches Knurren an sein Ohr drang. Erschrocken warf er einen Blick über die Schulter zurück. Wolf stand halb innerhalb, halb außerhalb der offenen Wohnwagentür. Er hatte die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen und seine Lefzen in die Höhe gezogen, so dass die gelben Reißzähne sichtbar wurden. Der Waffenstillstand, den Evan mit seinem T-Bone-Steak erreicht hatte, war zu Ende. Der Hund hatte das Nackenhaar gesträubt und die Ohren zurückgelegt.
Evan hatte das unbehagliche Gefühl, im nächsten Moment von Wolf angefallen zu werden, wenn er Lissa, nicht auf der Stelle losließ. Doch er brachte es nicht fertig, die Frau loszulassen, deren Schluchzer gerade erst nachließen.
„Schon gut, Junge. Ich tue ihr bestimmt nichts."
Seine ruhigen Worte und Wolfs Knurren drangen in Lissas Bewusstsein. Sie hob den Kopf und blickte über Evans Schulter.
„Es ist alles in Ordnung", stieß sie unter Tränen hervor.
Der Hund schien nicht überzeugt zu sein. Erst als sie sich aus Evans Armen löste und ihre Stimme wieder in der Gewalt hatte, gab er nach. „Es ist gut, Wolf. Geh hinaus. Nun mach
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