Tiffany Duo Band 77
jetzt ab und zu miteinander - seit Matts Sohn geboren wurde. Es gibt eben Starrköpfe, die die Worte ,es tut mir leid' nicht über die Lippen bringen. Die Versöhnung kommt mit der Zeit, schrittweise, mit kleinen Gesten und Gesprächen.
Lonnie machte eine Pause. „Die Zeit ist wie ein Fluß", philosophierte sie, „dessen Strömung Tag für Tag etwas mehr von dem Schutt fortspült, der sich an seinen Ufern angesammelt hat. Irgendwann hat der Strom den letzten Rest von Bitterkeit fortgetragen, und auch die Unversöhnlichsten können verzeihen."
Lonnie sah, daß Sam unnatürlich blaß wurde. „Sam, was ist? Habe ich etwas Falsches gesagt?"
Er schien sie nicht zu hören und blickte an ihr vorbei ins Leere. Oder sah er in sich hinein und kämpfte mit Erinnerungen? Gab es in seinem Leben jemanden, dem er nicht verzeihen konnte? Lonnie spürte seinen Schmerz und ein tiefes Bedürfnis, ihn zu lindern. „Sam?"
Er wandte ihr das Gesicht zu. „Entschuldigung. Ich war mit den Gedanken woanders."
„Möchten Sie darüber sprechen?”
„Wie? Worüber?"
Er stellt sich dumm, dachte Lonnie. Sie lächelte ihn an. „Also, wenn Sie irgendwann darüber reden möchten - ich bin eine gute Zuhörerin."
Er sah sie eindringlich an. „Sie besitzen eine besondere Gabe, Lonnie. Sie haben ein Gespür dafür, was in den Menschen vorgeht. Sie verstehen, warum sie sich so oder so verhalten." Er setzte sich kerzengerade und gab sich wieder ganz souverän. „Wahrscheinlich ist das der Grund, warum Sie so gut verkaufen."
„Die geborene Barfrau, sagt Pa."
„Ich hatte eigentlich etwas anderes mit Ihnen vor."
„Was war das?" Was meinte er mit seiner Bemerkung? Wollte er andeuten, daß er gewisse Absichten hatte? Reichlich plump, Mr. Triver...
„Nichts. Erzählen Sie weiter."
„Sie erwähnten mein Verkaufstalent, und dabei fiel mir eine wichtige Lektion ein, die ich als Kind bei der Arbeit in der Taverne gelernt habe."
„Sie haben in der Kneipe gearbeitet, als Kind?"
„Liebe Güte, es war keine Kinderarbeit! Ich half meiner Mama in der Küche - beim Gemüseputzen und so."
„Ach so. Und die Lektion? Was haben Sie damals gelernt?"
„Wenn Sie einen Gast dazu bringen wollen, einen Drink zu bestellen, dann fragen Sie nicht, ob er etwas trinken möchte. Fragen Sie ihn, wie sein Tag war."
„Und... weiter?"
„Wenn Sie einem unentschlossenen Anzeigenkunden einen Auftrag abluchsen wollen, dann fragen Sie ihn erstmal, wie das Geschäft geht. Ich bekomme viele Aufträge, weil ich freundlich zu den Leuten bin, weil ich zuhöre und Ratschläge gebe."
Sam beugte sich vor, und fast verlor Lonnie sich in der Tiefe seiner Augen. „Glauben Sie, Sie könnten das anderen beibringen?"
„Sicher, man kann alles lernen." Sie hatte keine Ahnung, worauf er hinauswollte.
Der Kellner unterbrach sie höflich und stellte eine große Platte mit Vorspeisen auf den Tisch. „Guten Appetit."
Lonnie ließ den Blick über die mit Mozarella belegten Tomatenscheiben, die marinierten Champignons, die Pepperoni, Oliven und den hauchdünnen Parmaschinken schweifen. Sie pickte eine Scheibe Schinken auf, wickelte sie um eine scharfe Pfefferschote und biß hinein.
„Hmm, das erinnert mich an Italien."
Sie sah Sam nach einer Pepperoni fischen. „Halt, nehmen sie lieber eine milde. Ich bin durch die texo-mexikanischen Chilis und Mamas Küche ziemlich immun gegen..."
Aber es war zu spät. Sam hatte die Pepperoni schon im Mund und kaute. Aber zu Lonnies Staunen verzog er weder das Gesicht, noch rang er nach Luft, noch griff er nach dem rettenden Wasserglas. Statt dessen - o Wunder - lächelte er.
„Sie haben anscheinend auch ein paar Überraschungen im Ärmel", bemerkte sie.
„Ja, ein paar."
„Wie sind Sie auf den Geschmack für so scharfes Zeug gekommen?"
„Auf meinen Reisen."
Lonnie wartete, aber mehr sagte er nicht. So fragte sie: „Wo waren Sie überall?"
„Hier und da. Erzählen Sie mir mehr über Italien. Die Männer sind dort ziemlich feurig, nicht wahr?"
Sehr mitteilsam ist er nicht gerade, dachte Lonnie und verkniff sich gerade noch eine spitze Bemerkung. Er verriet nichts über sich, während sie ihr Leben vor ihm ausbreitete. Nun, bei nächster Gelegenheit würde sie in seiner Vergangenheit graben, die sie mehr und mehr interessierte.
„Meine Cousinen haben mich vor den heißblütigen Casanovas beschützt", sagte sie lachend. „Einige redeten nach der ersten Begrüßung gleich von Heirat. Sie meinten anscheinend, daß sie
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