Tiffany
den Preis für das ›Vogeln‹ mit Olga verhandelte.
Ich fuhr ein paar Meter nach vorn und fischte den soundsovielten Geldschein aus meiner Brusttasche. Das Mädchen hatte lange Beine und trug hohe Absätze, auf denen sie auf mich zugestöckelt kam.
»Keine perversen Sachen«, sagte sie geschäftsmäßig.
»Versprochen.«
Sie nahm das Geld und stieg ein.
Sie roch nach Tiffanys Rosen, die gleiche chemisch süße Duftimitation, diesmal jedoch nicht mit dem Gestank von Blut und Erbrochenem vermischt. Sie machte den Eindruck, als sei sie stoned, bewegte sich aber kontrolliert und sprach normal, mit einer heiseren, tiefen Stimme. Im Bois de Boulogne wäre sie zwischen den Transvestiten überhaupt nicht aufgefallen.
»An der Ampel rechts.«
Ihre Hand wanderte routiniert zwischen meine Beine, um den Kunden unterwegs schon mal aufzuwärmen. »Warte mal, Patty«, sagte ich.
Sie erschrak und zog ihre Hand weg.
»Madonna hat mir gesagt, wie du heißt. Sie meinte, du könntest mir vielleicht helfen, beziehungsweise du oder Fleur.« Ich sagte nichts über das, was mit Fleur geschehen war, denn es hätte mir nichts genützt, wenn sie jetzt zusammengebrochen wäre. »Ihr seid doch oft mit Tiffany zusammen«, fuhr ich fort, als sie hartnäckig schwieg. Die Ampel sprang auf Grün, und ich bog rechts ab. »Ich bin auf der Suche nach Tiffany, das ist alles.«
»Aha, noch einer«, bemerkte Patty abfällig. »Von mir aus. Ich kann dir sagen, wo sie wohnt, wenn genauso viel dabei rausspringt.«
»Was heißt das, genauso viel?«
»Sie hat ja auf einmal sehr viele Verwandte. Du kannst mich dann auch gleich nach Hause bringen.«
»Ich kann dir nicht folgen«, sagte ich.
Sie schaute mich von der Seite an. »Weißt du, wie ihr richtiger Name ist?«
»Tiffany?«
Patty schüttelte den Kopf. »Der andere wusste es.«
»Welcher andere?«
»Der Verwandte mit dem Mercedes.«
Ich dachte nach. »War das gestern Nacht, nachdem Tif in den Audi gestiegen war?«
»Tif war da schon stundenlang weg.« Sie wandte mir ihr langes, recht männlich wirkendes Gesicht zu, in dem der Argwohn geschrieben stand. Die Perücke lohte wie eine Flamme darüber. »Was willst du von Tif?«
Ich seufzte und fuhr in Richtung Norden, am Hauptbahnhof vorbei und dann zum Haarlemmerplein, weil ich wusste, dass Patty in der Nähe von Tiffanys Botter wohnte. Die Stadt schlief noch nicht, aber auf der Straße war nur wenig los.
»Mein Name ist Max Winter«, sagte ich. »Gestern Nacht habe ich Tiffany bewusstlos vor meiner Tür gefunden. Sie war aus einem Auto geworfen worden. Ich habe einen Arzt geholt, sie hat in meiner Wohnung übernachtet, und heute Morgen war sie verschwunden. Mitten in der Nacht hat jemand, der auf der Suche nach ihr war, in einem Nachbarhaus eingebrochen. Ich mache mir ernsthaft Sorgen um sie.«
Ich fing an, mich an den zugleich mitleidigen als auch ungläubigen Ausdruck im Gesicht meiner Gesprächspartner zu gewöhnen, ob sie die Frage nun aussprachen oder nicht.
»Bist du etwa in sie verknallt?«
»Nein. Ich fühle mich ein wenig verantwortlich für sie, weil ich sie in meiner Wohnung aufgenommen habe. Etwa wie ein Arzt für seine Patientin«, erklärte ich.
»Bist du Arzt?«
»Ich bin in der Forschung.«
»Mach dir mal um Tiffany keine Sorgen«, murmelte sie. »Vielleicht hat sie einen genauso guten Kunden gehabt wie ich und feiert mit ihrem deutschen Freund.«
»Wo wohnt denn ihr Freund?«
Sie gab einen tiefen, abfälligen Laut von sich. »Ich will nach Hause.«
Sie verstand mich nicht im Geringsten. Sie schien zwar aufnahmefähig zu sein, aber sie war nun einmal drogenabhängig und lebte in einer Welt, in der jeglicher Bezug zur Wirklichkeit nach und nach verloren ging.
»Rauchst du vielleicht Crack?«, fragte ich gereizt.
»Ich? Niemals!«
»Bist du auf Heroin, so wie Tif? Wann hast du dir den letzten Schuss gesetzt?«
»Fuck you. Lass mich in Ruhe!«
Ich erblickte einen verlassenen Taxistand, brachte den BMW abrupt auf einem der Parkplätze zum Stehen, stellte den Motor ab und klappte das Handschuhfach auf. Patty fasste nach dem Türgriff und warf sich mit der Schulter gegen die Wagentür, doch ich erwischte sie an dem Handgelenk, an dem ihre Tasche hing und riss sie zurück. Ihr Arm war hart und knochig. Sie versuchte, sich freizukämpfen, aber ich holte mit der freien Hand meine Handschellen aus dem Handschuhfach und fesselte ihr Handgelenk ans Steuer, ehe sie wusste, was geschah. Als sie merkte, dass sie nicht
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