Tiffany
nicht bemerkten, weil sie zu sehr mit dem Transport einer kleineren Gestalt beschäftigt waren. Wegen ihrer Kleidung erkannte ich sie nicht sofort. Ich hatte sie nur in ihrem Nutten-Outfit gesehen, und dieses Persönchen in grüner Jeans und kastanienbraunem Pullover hätte genauso gut eine betrunkene Studentin sein können, die Freunde aus der Studentenvereinigung nach einem wüsten Abend nach Hause brachten. Mir fiel Tiffanys Kleiderschrank ein, als ich die Tasche an ihrem Handgelenk und ihr Haar sah, das ihr wie schmutziger Flachs ins Gesicht hing. Sie musste entweder bewusstlos oder völlig stoned sein, denn sie wehrte sich nicht und hing zwischen den beiden Männern wie ein nasser Sack.
Ich zog meine Pistole, sah aber, dass sie vorsichtig mit ihr umgingen, als bräuchten sie sie noch. Ich wollte sie ebenfalls hier raus haben, hatte aber keine Lust auf ein Wildwest-Spektakel.
Ich folgte ihnen durch den Irrgarten von Trennwänden, Teppichen und gedämpften Geräuschen bis zur Treppe nach unten. Jemand hatte die Glühbirne an der Decke ausgeschaltet, und sie stolperten im Dunkeln nach unten. Ich knipste meine Lampe ein und sagte beiläufig: »Warte mal, Fikkie.«
Einen Moment lang blinzelten sie in den Lichtstrahl meiner Taschenlampe hinein, die ich mir vor die Brust hielt, sodass die Pistole in meiner ausgestreckten Hand das Einzige war, was sie von mir erkennen konnten. Der Straßendealer hatte sein langes, braunes Haar mit einem Band im Nacken zusammengebunden. Die Augen in seinem knochigen, unrasierten Gesicht standen eng beieinander, und er hatte die Stirn gerunzelt, weil ich seinen Namen beziehungsweise seinen Spitznamen kannte. Bei dem anderen handelte es sich um einen Asiaten, wahrscheinlich einen Koreaner, mit flachem Gesicht und drahtigem Körper.
»Kleine Programmänderung«, sagte ich leichthin. »Sie soll woanders hingebracht werden.« Ich stieg bedächtig die Treppe hinunter, in der Hoffnung, dass ihre Verwirrung noch einen Moment anhielt. »Befehl von oben. Ich übernehme sie ab hier.«
»Fuck«, sagte der Asiate.
Er versetzte Tiffany einen Ruck und schleifte seinen Partner mit sich die letzten Stufen hinunter. Der Straßendealer stolperte, fand aber, unten angekommen, sein Gleichgewicht wieder. Sie rannten los, Tiffany wie einen Sack Mehl zwischen sich. Meine Pistole konnte ich vergessen.
Ich schaltete meine Lampe aus, um es ihnen nicht noch einfacher zu machen und rannte durch die plötzliche Dunkelheit hinter ihnen her. Einer von ihnen schrie laut auf, als er mit viel Lärm gegen ein Hindernis prallte. Sie fielen fluchend übereinander. Ich machte meine Lampe wieder an und schlug damit in dem Durcheinander dem Straßendealer auf den Kopf.
Der Asiate rappelte sich auf und flüchtete in das dunkle Erdgeschoss hinein, wo ich ihn mit wütendem Gebrüll gegen das herumstehende Gerümpel stoßen hörte. Der Straßendealer trat mir ans Schienbein und riss sich los, als ich über Tiffany stolperte und dabei meine Lampe fallen ließ. Er entwischte in Richtung Eingangstür.
Die Lampe war ausgegangen, und ich hockte mich hin und tastete um mich herum, bis ich Tiffany fand. Ich legte ihr meine Hand auf die Schulter und blieb in der Hocke sitzen. Vor mir fiel das schwache Licht des Kais durch das Rechteck der offenen Tür. Der Straßendealer war verschwunden. Der Asiate lauerte irgendwo geräuschlos zwischen den Kühlschränken. Ich wusste, dass ich einen von den beiden hätte schnappen sollen, um aus ihm herauszuprügeln, warum auf einmal alle hinter einer drogensüchtigen Nutte her waren, aber Tiffany lag hier neben mir. Ich spürte, wie sich ihr Brustkorb hob und senkte, sie lebte, sie atmete. Ich konnte sie nicht allein lassen.
Ich fand meine Lampe und steckte sie ein, griff Tiffany unter den Achseln und hievte sie über meine Schulter. Ich schlug meinen Arm um ihre Hüften, legte die Hand auf ihren Po, umklammerte mit der anderen Hand fest die Pistole und trug das Mädchen hinaus.
Der Straßendealer stand an der Ecke der Gasse, neben dem Mann, der dort an der Hauswand gehockt hatte. Sie sahen meine Pistole und blieben stehen, die Köpfe zusammengesteckt, während ich die Uferstraße überquerte. Wahrscheinlich besaßen sie keine Schusswaffen. Was sie jetzt allerdings garantiert besaßen, war das Kennzeichen meines Autos, das ich direkt vor dem Gebäude geparkt hatte. Ich wusste nicht, für wen sie arbeiteten und ob ihr Auftraggeber über die Beziehungen oder die Mittel verfügte, über das
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