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Tiffany

Tiffany

Titel: Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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ließ ihre provokante Pose fallen und saß nur noch stocksteif da. »Fleur?«
    »Auf Tiffanys Boot.«
    Patty starrte geradeaus, eine zu groß geratene, drogenabhängige Prostituierte mit Gänsehaut und einem Gesichtsausdruck, als sei sie stoned. Ihre Eltern hatten vermutlich damit gerechnet, dass sie Rechtsanwältin werden würde, Ärztin oder notfalls Gymnastiklehrerin.
    »Wie heißt Tiffanys Freund?«, fragte ich nach einer Weile.
    »Jerry.«
    »Und wo wohnt er?«
    »In der Remkade, ich weiß nicht, welche Nummer, es ist ein besetztes Haus.«
    Ich fluchte leise und ließ den Wagen an.
    Diese Nacht wollte einfach kein Ende nehmen. Ich war schon einmal hier gewesen, hatte davor gestanden, vor dem Haus, das Bart reif für eine Razzia fand. Bei Tageslicht sah es vermutlich noch heruntergekommener aus, verblasster Glanz von einst. Im siebzehnten Jahrhundert hatte es wahrscheinlich als Lagerhaus gedient, und vielleicht befand sich noch ein Giebelstein mit dem Wappen der Vereinigten Ostindischen Handelskompanie über den mit Brettern vernagelten Fenstern. Aus den Spalten fiel Licht, und ich hörte das gedämpfte Wummern von Musik, auch aus den düsteren Hausbootwracks, die gegenüber im Wasser lagen. Der Rhythmus von Tag und Nacht besaß hier nur wenig Bedeutung, aber die Straße war sowieso menschenleer, bis auf eine Gestalt, die ein Stück weiter weg an der Ecke einer Gasse hockte. Ich trug meine Beretta im Schulterhalfter und die große Taschenlampe in der Hand.
    Die Tür gab schon auf einen kleinen Stoß hin nach. Der Raum, zu dem sie führte, stank nach Schimmel, Benzin und Öl und war voll gepackt mit rostigem Alteisen, Blechgegenständen, zerbeulten Kühlschränken und Waschmaschinen. Von einer Birne an der Decke fiel Licht auf eine Holztreppe an der Seitenwand und einen Pin-up-Kalender aus den fünfziger Jahren, der auf halber Höhe vor sich hin gilbte. Ich stieg an dem Pin-up-Girl und verschiedenen Graffitis vorbei die Treppe hinauf und erreichte die erste Etage, die einmal aus einem einzigen großen Raum bestanden haben musste, inzwischen aber durch selbst gebaute, aus den verschiedensten Materialien bestehende Zwischen- und Trennwände in das reinste Labyrinth verwandelt worden war. Ich spähte an Bastvorhängen und Teppichen an Wäscheleinen vorbei auf die unterschiedlichsten Formen des Kampierens und Wohnens in einer friedlichen und zugleich ziellosen kleinen Welt, in der niemand mich beachtete, als ob es zu dieser späten Stunde keine Gründe mehr für Aggressivität, ja noch nicht einmal mal mehr für Neugier geben könnte. Matratzen auf dem Boden, Kerzen auf Kisten, bekritzelte Poster, Gardinen, alte Teppiche und menschliche Gestalten, schlafend oder betäubt von den Gerüchen nach Schimmel, verdorbenen Nahrungsmitteln und Marihuana. Ich hörte die Klänge von New-Age-Musik. Ich sah keine Ratten, wohl aber zum Trocknen aufgehängte Wäsche, Töpfe und Pfannen, an denen die Emailschicht abplatzte, Butangaskocher, ein Gitterbettchen mit einer großen Puppe darin und irgendwo zwischendrin den Kopf von Madonna, der im Tiefschlaf oder im Koma unter einer Pferdedecke hervorschaute.
    Ein einsamer, professorenhaft aussehender Mann um die dreißig in einem abgewetzten, altmodischen Fischgrätanzug saß mit einem Fläschchen Sprühöl über eine alte Schreibmaschine gebeugt in einer Zelle aus aneinander geschraubten Plexiglasscheiben auf dem Boden. Ich ging neben ihm in die Hocke und fragte, wo ich Jerry finden könne. Er schaute mich mit wässrigen Augen hinter einer Brille mit fingerdicken Gläsern an und zeigte mit dem Daumen nach oben. Er sprach wie ein Leidener Student.
    »Nummer 33.«
    »Was soll das heißen, Nummer 33?«
    »Das heißt oben.«
    Ich wies mit einem Kopfnicken auf die Remington. »Willst du deine Memoiren schreiben?«
    »Das Transzendentale Ideal«, antwortete er feierlich. »Ich habe alles im Kopf. Suchst du auch Tiffany?«
    Ich runzelte die Stirn. »Warum?«
    »Weil eben schon mal zwei nach ihr gefragt haben.«
    »Wer waren die beiden?«
    »Fikkie, der Straßendealer und so ein finsterer Typ. Ist noch nicht so lange her.« Eine Falte bildete sich auf seiner Stirn. »Oder doch?«
    Ich eilte durch den übrigen Teil der lebendig gewordenen Breughel-Szenerie zur Treppe nach oben. Ich hatte sie fast erreicht, als ich Schritte hörte. Füße und dunkle Hosen erschienen in meinem Blickfeld. Ich stellte mich hinter eine Trennwand und wandte mich ab.
    Sie stolperten an mir vorbei, zwei Männer, die mich

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