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Tiffany

Tiffany

Titel: Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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an die Garderobe. Das geliehene Auto, der Schlag in den Nacken, alles wies auf einen Fachmann hin. Ich brauchte gar nicht erst nach den Ergebnissen der Spurenuntersuchung bei dem Mercedes zu fragen; solche Leute hinterließen keine Fingerabdrücke, und etwaige lila Perückenhaare, Nylonfasern oder Parfümgerüche von Patty nutzten niemandem etwas.
    »Hast du sonst noch Fragen oder kann ich wieder zurück ins Bett?«
    »Ich hätte da, äh … ein logistisches Problem.« Schon während ich es aussprach, wusste ich, dass CyberNel nicht die richtige Ansprechpartnerin war. Ich brauchte jemanden, der sich mit Suchtkranken und Entzugsmethoden auskannte, und zwar gründlich.
    »Meinst du mit Logistik, dass du vorübergehend bei mir wohnen willst?«, fragte Nel.
    »Ich habe Tiffany gefunden«, antwortete ich.
    »Du lieber Himmel! Willst du die etwa bei mir einquartieren?«
    Ich erklärte ihr, wo ich war. Nel wusste von dem Mord an Fleur. Ihr war klar, dass Tiffany in Gefahr schwebte und aus dem Verkehr gezogen werden musste. »Sie ist noch nicht ansprechbar. Ich halte dich auf dem Laufenden.«
    »Wenn’s geht tagsüber«, brummelte CyberNel.
    Der Kaffee verlieh mir so viel Schwung, dass ich noch das Bad aufräumte und Tifs und meine Kleidung in Margas Waschmaschine steckte. Danach wischte ich das Erbrochene von Tifs Beutel ab und nahm ihn mit ins Wohnzimmer. Ich zog den Riemen auf und schüttete den Inhalt auf den Esstisch. Eine teure Brieftasche aus Krokodilleder sprang mir zwischen den anderen Dingen ins Auge. Ich klappte sie auf und durchsuchte sämtliche Fächer. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber die Tatsache, dass gar nichts darin war, enttäuschte mich irgendwie.
    Der Rest des Inhalts war wie erwartet. Make-up-Utensilien und Junkie-Besteck, zwei Tütchen Heroin, ein Löffel, ein Feuerzeug und – so klar im Kopf musste sie immerhin noch sein – hygienisch einwandfreie Wegwerfnadeln. Ein kleines Portemonnaie mit Geldscheinen und Münzen, sowie in einem Seitenfach das Schwarz-Weiß-Passfoto einer jungen Frau. Lose Kondome, griffbereit für behände Finger. Ein angebrochenes Päckchen Papiertaschentücher. Eine Viertelrolle Kekse. Keine Papiere, keine Briefe, nichts mit Namen oder Adressen darauf, nichts Persönliches, außer dem Passfoto.
    Die Frau wirkte zu jung, um Tiffanys Mutter sein zu können, eher vielleicht eine ältere Schwester. Trotz der Knicke und feinen Risse konnte man erkennen, dass es sich um eine hübsche Frau handeln musste. Es hätte Tiffany selbst sein können, bevor schlechte Ernährung, Verwahrlosung und Drogen ihr zerstörerisches Werk begonnen hatten. Doch das konnte nicht stimmen, denn Tiffany war um die zwanzig, und das Foto schien mindestens zehn Jahre alt zu sein. Ich konnte wenig daraus entnehmen, außer, dass Tiffany es in ihrem Portemonnaie aufbewahrte, als habe sie zwar jede Spur ihrer Identität, ihrer Herkunft und ihrer Vergangenheit tilgen wollen, sich aber nicht von dieser einen Erinnerung trennen können.

4
    Einen Moment lang war ich völlig desorientiert, als ich von einem anderen als meinem eigenen Wecker aus dem Schlaf geklingelt wurde. Ich blickte mit blinzelnden Augen auf Dachschrägen, die mit dunklem Holz verkleidet waren. Ich lag auf Margas Bett, in Hose und Pullover. Margas Wecker behauptete, dass ich zwei Stunden geschlafen hatte.
    Ich spritzte mir Wasser ins Gesicht. Der Mann im Spiegel sah mitgenommen aus, hatte einen Stoppelbart und gerötete Augen. Ich erinnerte mich daran, dass es einen Grund gab, warum ich mir den Wecker gestellt hatte.
    Tiffany lag in tiefem Schlaf, als ich ihr Zimmer betrat. Sie hatte herumgezappelt, vielleicht in einem Albtraum, und lag halb entblößt seitlich auf dem heruntergetretenen Bettzeug. Die Morgenkühle drang durch das offene Dachfenster herein, und sie hatte eine Gänsehaut auf Armen und Schultern, während ihre Stirn von einem dünnen, glänzenden Schweißfilm bedeckt war. Ich legte ihre gewaschene Kleidung über einen Stuhl und zog die Decke über sie, bevor ich mich auf den Bettrand setzte und sie an der Schulter schüttelte. »Tiffany.«
    Sie erschauerte und blinzelte mit den Augen.
    »Weißt du noch, wer ich bin?«
    Ihr Blick war so trübe wie dichter Nebel.
    »Du wirst gesucht«, sagte ich. »Hier bist du an einem sicheren Ort. Verstehst du mich?«
    Sie starrte mich weiterhin an. Ich schüttelte sie wieder an der Schulter. »Ich kann dir nicht helfen, wenn du mir nicht hilfst. Ich habe mit Patty geredet, und mit

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