Tiffany
bar.« Ihr Blick wurde argwöhnisch, und rasch korrigierte ich mich. »Ich meine, mit Kreditkarte.«
Sie seufzte erleichtert. In bar zahlten für gewöhnlich nur Kriminelle und Drogendealer.
Die Krankenschwester wartete ungeduldig vor der Tür. »Ich fahre mit meinem Auto hinter Ihnen her. Was war eigentlich mit ›etwas außerhalb gelegen‹ gemeint?«
»Stört Sie irgendetwas?«, fragte ich zurück.
»Na ja, erst heißt es, ich solle möglichst rasch vorbeikommen, und dann warte ich eine halbe Stunde lang auf Sie.«
»Es tut mir Leid«, sagte ich versöhnlich. »Ich bin aufgehalten worden. Haben Sie Erfahrung mit Drogenpatienten?«
»Ich habe bei der Suchthilfe gearbeitet.«
»Warum haben Sie dort aufgehört?«
Sie schaute mich an. »Ich war zu oft mit gewissen Dingen nicht einverstanden. Dort steht mein Auto.« Sie wies mit dem Kopf hinüber zu einem weißen VW auf der anderen Straßenseite. »Ich kann nur tagsüber von neun bis siebzehn Uhr, um sechs Uhr muss ich wieder zu Hause bei meiner Familie sein. Bezahlt werde ich tageweise. Wie lange wird es dauern?«
»Es geht um eine Heroinsüchtige …«
»Eine drogenabhängige Nutte, darüber weiß ich schon Bescheid.«
»Sie kann ganz schön ausflippen.«
»Damit kann ich umgehen.«
»Womit waren Sie bei der Suchthilfe nicht einverstanden?«
Sie winkte ungeduldig ab. »Wenn das Mädchen im Moment alleine ist, verschwenden wir hier wertvolle Zeit. Wann hat sie sich den letzten Schuss gesetzt?«
»Gestern Abend oder gestern Nacht.«
»Dann sollten wir uns lieber beeilen.«
»Was haben Sie gegen Methadon?«, fragte ich.
»Nichts.«
Ich hielt sie zurück, als sie die Straße überqueren wollte. Beleidigt blickte sie auf meine Hand und sagte: »Wenn ich Ihnen nicht passe, dann müssen Sie sich eben jemand anderen suchen.«
»Vielleicht ist unsere erste Begegnung ein bisschen unglücklich verlaufen«, sagte ich beruhigend. »Ich möchte ja nur wissen, woran ich bin. Ich werde selbst kaum mit ihr fertig, wenn sie ihre Zustände kriegt. Ich kenne Sie nicht, ich weiß nichts über Sie, und um die Wahrheit zu sagen, sehen Sie vom Körperbau her so aus, als wären Sie eher für die Altenpflege geeignet.«
Ich sah, dass sie sich beherrschen musste. »Dieses Flittchen ist garantiert gerade dabei, Ihr Haus einzureißen.«
»Sie heißt Tiffany.«
»Das glauben Sie doch selber nicht.« Sie trat einen Schritt zurück, um mich gründlicher betrachten zu können. »In welchem Verhältnis stehen Sie zu diesem Mädchen?«
»Ich habe sie von der Straße aufgelesen, mehr nicht.«
»Ich habe auch einen ersten Eindruck von Ihnen gewonnen«, sagte sie geringschätzig. »Und zwar halte ich sie für einen naiven Idealisten, der glaubt, er könne einen Junkie dazu bringen, clean zu werden. Ich habe meine Erfahrungen mit der Behandlung von Süchtigen, und ich weiß, wie ich mit den Patienten umgehen muss, aber der Herr bewahre mich vor naiven Idealisten.«
Möglicherweise musste ich meine Meinung von ihr revidieren. Jedenfalls ließ sie sich nicht ungestraft beleidigen. Ich verspürte das Bedürfnis, mich zu rechtfertigen, aber ich wusste nicht wie. Was hätte ich sagen sollen? Dass man im Laufe von zwanzig Jahren Polizeidienst in Amsterdam von Idealismus gründlich kuriert wird?
»Wie alt sind Sie?«
Meine Frage überraschte sie, und sie runzelte die Stirn. »Achtunddreißig.«
»Dann könnten Sie vielleicht noch Ideale haben. Sind Sie deshalb bei der Suchthilfe ausgestiegen?«
»Nein.« Sie beruhigte sich ein bisschen und klang jetzt ein wenig feierlich und sehr bestimmt: »Ich bin Krankenschwester. Ich habe alle Methoden mitgemacht, inklusive der liberalen Ich-bin-okay- und Du-bist-okay-Taktik. Das Problem dabei ist aber, dass Heroinsüchtige alles andere als okay sind. Man kann ihnen kein Pflaster aufkleben und sie für den Rest ihres Lebens unter Methadon setzen, damit sie der Gesellschaft keine Probleme mehr bereiten. Ich habe alle Arten von Tiffanys erlebt. Wenn Sie glauben, dass Sie sie von den Drogen abbringen können, indem Sie lieb und nett zu ihr sind, machen Sie sich etwas vor. Wenn sie nicht selbst davon weg will, wird sie es niemals schaffen. Und selbst wenn sie es will, ist es noch schwer genug.«
»Also nicht lieb und nett sein, okay«, sagte ich. »Aber was dann?«
Sie ignorierte meinen ironischen Einwand. »Warum trinken Menschen?«
»Zum Spaß?«
»Ich meine saufen.«
»Um ihre Probleme zu vergessen?«
»Genau.« Sie wirkte immer resoluter.
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