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Tiffany

Tiffany

Titel: Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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verständnisvoll. »Arbeitet er noch immer dort?«
    »Nein, schon lange nicht mehr.«
    »Warum nicht?«
    »Nach einer Weile haben die Leute immer genug von ihm, und mittlerweile passiert das in immer kürzeren Abständen. Letzte Woche hat er in der Oude Herberg angefangen, einem Lokal etwas außerhalb von Zeist. Er muss auch immer weitere Anfahrten in Kauf nehmen. Ich hoffe, dass er sich dort länger halten kann als auf seiner letzten Stelle.«
    »Arbeitet er nur abends?«
    »Manchmal hat er noch andere Auftritte zwischendurch, er spielt noch in einem Kammerorchester. Ich habe keinen Überblick mehr darüber.«
    »Wann haben Sie geheiratet?«
    »Vor sieben Jahren. Er war Witwer und hatte eine Tochter. Lange hat er nicht gewartet nach dem Tod seiner Frau. Ich bildete mir ein, das große Los gezogen zu haben, ein Haus in Bilthoven mit einem beheizten Innenswimmingpool, aber dieser Traum ist schnell zerplatzt.«
    »Was ist denn geschehen?«
    »Das alles gehörte nicht ihm. Weder das Haus, noch ein Cent von dem Geld, nur seine Geigen durfte er behalten.« Sie verdrehte die Augen zur Decke. Der Groll stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Eine davon ist anscheinend wertvoll, vielleicht verkaufe ich sie eines Tages hinter seinem Rücken.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass alles seiner verstorbenen Frau gehörte? Wann ist sie denn gestorben?«
    »Das muss jetzt sieben Jahre und einen Monat her sein.«
    »Warum hat Ihr Mann denn nichts geerbt? Oder seine Tochter?«
    »Pieter hat mir verschwiegen, dass er in Gütertrennung geheiratet hatte. Außerdem stellte sich heraus, dass das Haus noch nicht einmal seiner Frau gehörte, sondern ihrem Bruder, der in Australien lebt. Sie hatten lediglich das Recht gehabt, darin zu wohnen, und als sie starb, hatte ihr Bruder nicht das Bedürfnis, noch irgendetwas für Pieter zu tun beziehungsweise für eine Nichte, die er nie gesehen hatte. Er brauchte wohl das Geld für seine Firma, was weiß denn ich, jedenfalls wurde die Villa verkauft, und wir standen auf der Straße.«
    »Sie haben also eine Zeit lang darin gewohnt?«
    »Ja, einen Monat.«
    »Woran ist Madelons Mutter gestorben?«
    »An Krebs.« Sie wandte den Blick ab.
    »Haben Sie sie gekannt?«
    Auf meine Frage hin schaute sie mich wieder an. »Meinen Sie, ob ich vor ihrem Tod schon etwas mit ihm hatte? Sie kam einmal zu uns ins Restaurant, eiskalt und schick wie aus einer Modezeitschrift, und ich brauchte sie nur anzusehen, um zu wissen, was Pieter fehlte.«
    Wir schwiegen eine Weile. Sie starrte mich mürrisch an. Mein Notizbuch lag auf meinen Knien, aber ich hatte noch nichts hineingeschrieben, außer dem Namen des Restaurants in Zeist, ein paar Zahlen und ein bisschen Gekritzel. Tiffany war dreizehn oder vierzehn Jahre alt gewesen, als ihre Mutter starb. Kurz darauf heiratete ihr Vater eine andere Frau, und sie musste aus der komfortablen Villa in Bilthoven hierher in diese deprimierende Vorkriegs-Backstein-Bude ziehen, mit einer Stiefmutter, die nicht gerade vor mütterlichen Gefühlen überzusprudeln schien. Nun war das alles zwar recht tragisch, aber schließlich gab es viele Kinder, die ein Elternteil und ihre vertraute Umgebung verloren, ohne dass sie deswegen später heroinsüchtig wurden und sich prostituierten.
    »Warum ist sie weggegangen?«, fragte ich.
    »Wer?«
    »Madelon.«
    »Das dürfen Sie nicht mich fragen. Sie war ein verwöhntes Blag.«
    »Aber das war doch nicht ihre Schuld, oder?«
    Sie hob wütend den Blick. »Alles war ihre Schuld! Sie ist zu allem fähig!«
    Sie sah meine Reaktion und rief unbeherrscht: »Sogar zu einem Mord!«
    »Zu einem Mord?«
    »Sind Sie taub?«
    Einen Moment lang war ich sprachlos. Tiffany war ein launisches Gör, und ihre plötzlichen Stimmungswechsel und ihre aggressiven Wutanfälle hatte ich ja selbst erlebt, aber eine Mörderin? Man kann sich als Mensch in seinen Mitmenschen täuschen, das war mir schon oft genug so gegangen. Doch mit der Zeit hatte sich aus der Summe der Erfahrungen, besonders im Polizeidienst, eine Art Instinkt herausgebildet. Man beobachtete, hörte genau zu und lernte, auch unausgesprochene Botschaften zu entschlüsseln. Ich musste daran denken, was Patty gesagt und mir unbewusst mitgeteilt hatte, und auch an die Worte von Nina, die sich gewiss nicht so leicht hinters Licht führen ließ. All meine bisherigen Erfahrungen mit Tiffany widersprachen der Vorstellung, dass sie zu einem Mord fähig war. »Das haben Sie sicherlich nicht so gemeint«, sagte ich.
    Ihre

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