Tiffany
triumphierende Stimmung schlug um in Hass. »Ich weiß nicht, wo sie ist und was sie ausgefressen hat, aber von mir aus kann man sie ruhig für immer wegsperren. Das können Sie ihren Kollegen von der Polizei von mir ausrichten.«
»Sie können es ihnen auch selbst sagen.«
Mein kalter Tonfall erschreckte und verwirrte sie, als würde ihr nun erst bewusst, dass sie sich selbst womöglich in etwas hineinritt, weil sie den Mund nicht halten konnte. »Ich habe nichts mit der Polizei zu schaffen.«
»Aber die Polizei etwas mit Ihnen«, improvisierte ich so drohend wie möglich. »Eltern sind in hohem Maße für ihre Kinder verantwortlich. So ist es gesetzlich geregelt, und das gilt auch für Stiefeltern. Madelon war minderjährig. Man kann Sie für die Tatsache zur Verantwortung ziehen, dass sie weggelaufen und in handfeste Schwierigkeiten geraten ist.«
»In Schwierigkeiten? Und das soll meine Schuld sein?«
Sie bekam Angst. Sie schien mir eine ziemlich einfach gestrickte Frau zu sein, die Respekt vor Gesetzesvertretern hatte und nicht gleich auf die Idee kam, einen Rechtsanwalt anzurufen. »Unter Umständen könnten Sie sich aber eine Konfrontation mit der Polizei ersparen, wenn Sie offen und ehrlich mit mir darüber reden«, sagte ich, ganz die wohlwollende Amtsperson.
»Mein Gott noch mal«, sagte sie. »Dieses Weib zerstört mein ganzes Leben. Ich hatte gehofft, ich sei sie für immer los.«
Sie äußerte noch eine weitere Verwünschung, stand mit einem Seufzer auf und verschwand im Hinterzimmer. Ich hörte eine Schranktüre zuschlagen, und dann kam sie wieder, eine Flasche und zwei Gläser in der Hand. »Ich brauche jetzt erst mal einen Schnaps. Sie auch?«
Es war junger Genever, und auf der Flasche steckte ein Korken mit Schenktülle. Ihre Hand zitterte ein wenig, aber sie goss beide Gläser mit der Routine einer Bardame voll, genau mit der richtigen Menge und einer geübten Drehung am Schluss, um nicht zu kleckern. Sie verschüttete keinen Tropfen. Sie stellte die Flasche hin, kippte ihr Glas in einem Zug hinunter und stieß erneut einen tiefen Seufzer aus.
»Ich verstehe ja, dass man darunter leidet, wenn die eigene Mutter stirbt«, sagte sie. »Aber dass ihr Vater mit einer neuen Frau nach Hause kam, darüber wird sie sich kaum gewundert haben. Pieters ganzer Lebenszweck besteht darin, Frauen zu verführen, das habe ich schnell herausgefunden. Schöne Reden, ewige Treue, der Himmel auf Erden in Bilthoven. Ich habe mein Bestes getan, aber mit dem Gör konnte man einfach nicht in Frieden zusammenleben. Sie war entsetzlich verwöhnt und verdorben, daran konnte ich nichts mehr ändern. Das Einzige, was sie wollte, war, alles zu zerstören. Ich versuchte, nett zu ihr zu sein. Schreiben Sie das auf, denn das ist die Wahrheit, so wahr mir Gott helfe.«
»Hat sie sehr an ihrem Vater gehangen?«
»Oh ja, sie war Papis großes Mädchen. Wenn sie von mir sprach, nannte sie mich nur ›deine neue Frau‹. Aber Pieter war fast nie zu Hause, und dann hatte ich sie am Hals.«
»Sind Sie früher schon einmal verheiratet gewesen?«
Sie wandte verächtlich den Blick ab. »Ja, drei Jahre lang.«
Ich winkte mit meinem Notizbuch. »Würden Sie mir Namen und Adresse Ihres früheren Ehemannes nennen? Nur der Vollständigkeit halber.«
»Dirk van Kampen. Soweit ich weiß, wohnt er immer noch in Utrecht, in der Broekmalaan. Eine Schlafmütze, noch nicht mal Kinder zeugen konnte er. Das muss ich Pieter lassen, er weiß, was eine Frau braucht.«
»Meinen Sie in Bezug auf Sex?«
»Von ihm könnten die meisten Männer noch was lernen.«
»Sie sind also schwanger geworden?«
»Ja, und Sie können sich sicher vorstellen, dass dieses Weib das nicht ertragen konnte. Sie hat meine Kinder umgebracht.« Sie trotzte meinem ungläubigen Blick und schaute mich mit harten Augen an, eiskalt und hasserfüllt. »Diese Hexe ist daran schuld, dass ich zwei Mal eine Fehlgeburt erlitten habe. Und da wollen Sie mich für dieses ›arme Kind‹ verantwortlich machen? Schon wenn ich nur ihren Namen höre, könnte ich kotzen.«
Sie holte tief Luft, schenkte sich ihr Glas noch einmal voll und sagte mit unerwartetem, galligen Humor: »Sie brauchen gar nicht erst aufzuschreiben, dass die Stiefmutter trinkt. Die Stiefmutter trinkt nicht. Die Stiefmutter braucht nur einen Schnaps, wenn es um die Stieftochter geht.«
Ich trank einen Schluck, um das Summen in meinen Ohren loszuwerden. Um diese Uhrzeit schmeckte der Genever nach einer Mischung aus
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