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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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Schwester Mary immer gesagt, wenn sie mich auf das weiße Bett in ihrem kleinen Zimmer legte; sie hatte ihre Hand auf meine Brust gelegt, vielleicht um meinen Herzschlag zu fühlen, und geflüstert: tief durchatmen, tief durchatmen . Und aus irgendeinem Grund war diese einfache Sache so schwer gewesen: diese schwere Luft in mir aufzunehmen und festzuhalten, wie ein aufgeblasener Ballon; fast hatte ich vor Angst geweint, dass ich es nicht schaffen und sie enttäuschen würde. Und so atmete ich an der Tür stehend drei Mal tief durch, damit es mir Glück brachte. Ich stand da und spürte, wie Nina mich durchsprudelte; dann warf ich mein Haar nach hinten und stolzierte auf Peter zu. Ich ließ mich aufs Bett fallen und holte langsam seinen Penis hervor, wie eine Zauberin, die einen Dschinn freilässt, wie Kleopatra, die ihre Natter weckt. Kleopatra war durch den Schlangenbiss gestorben – oder so ähnlich –, sie starb schön, wie alle, die durch Gift zu Tode kommen.

19
    Der Wasserfall
    Eines Sommertags stiegen wir einen kleinen Abhang zu einem der Wasserfälle hinauf. Am Vortag hatte es heftig geregnet, so dass das Wasser weiß schäumend über die glatten braunen Felsen nach unten stürzte.
    Wir saßen auf einem Felsen und lauschten dem Rauschen. »Am besten genießen wir die Zeit, die wir jetzt haben. Auf der Highschool findest du bestimmt einen netten jungen Freund, dann bin ich raus aus dem Spiel, stimmt’s? Wie sagt das alte Sprichwort: Wenn du etwas liebst, lass es frei. Irgendwann werde ich das auch mit dir tun müssen, Schätzchen. Du kannst nicht den Rest deines Lebens an einen alten Mann verschwenden.«
    »Na ja, vielleicht habe ich hier und da mal einen Freund, aber nichts Ernstes.«
    Peter lächelte gezwungen. »Ich werde niemals für dich sorgen können. Das weißt du, nicht? Nicht mit meiner lächerlichen Invalidenrente. Die reicht ja kaum für mich selbst. Ich bin total abhängig von Inès. Früher habe ich ihr einen Hunderter zur Miete dazugegeben, aber selbst das kann ich jetzt nicht mehr. Zum Glück ist im Haus viel zu tun, sonst hätte sie überhaupt nichts von mir. Und sie ist so verständnisvoll, dass sie mich selbst dann nicht vor die Tür setzen würde. Ich kann von Glück sagen, dass ich sie habe.«
    »Na, wenn ich achtzehn bin, können wir heiraten. Ich suche mir eine gute Arbeit und sorge für uns beide. Wir werden New Jersey für immer hinter uns lassen.«
    Peter grinste schief.
    »Glaubst du, ich werde keine gute Ehefrau?«
    »Nein, ich dachte nur gerade, vielleicht bringt das dritte Mal ja Glück. Drei war immer schon meine Glückszahl. Ich war schon zwei Mal verheiratet. Beim ersten Mal war ich einundzwanzig. Sie war fünfzehn. Ich fälschte die Unterschrift ihrer Eltern in den Papieren.«
    »Das kannst du doch für mich auch tun! Dann muss ich nicht warten, bis ich achtzehn bin.«
    »Weiß nicht. Das waren andere Zeiten. Heutzutage würde ich für so was wahrscheinlich ins Gefängnis gesteckt.« Peter zog eine Grimasse. »Ihre Eltern ließen die Ehe schließlich annullieren. Auf ihre Bitte. Sie hatte einen anderen Kerl kennengelernt, den Inhaber eines Kinos. Als sie zusammenzogen, versteckte ich mich hinter einem Baum und beobachtete ihre Wohnung durch ein Fernglas. Einmal sah ich sie zusammen in der Badewanne.«
    »Haben sie dich bemerkt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ein anderes Mal habe ich die beiden mit dem Auto verfolgt. Ich wollte ihren Wagen eigentlich von der Straße abdrängen. Eine Zeitlang hängte ich mich an sie dran, sie gaben immer mehr Gas, um mich abzuhängen, doch ich blieb dicht dahinter, ich muss um die hundertsechzig gefahren sein. So ging das eine ganze Weile – ein Katz-und-Maus-Spiel. Ich hatte die ganze Zeit das Bild von den beiden in der Badewanne vor Augen. Ich hasste meine Ex dafür. Aber ich wusste, dass es etwas an ihr gab, das ich nicht umbringen konnte. Ich kann es nicht genau erklären. Sie war so hübsch, hatte ein Gesicht wie eine Porzellanpuppe. Ich konnte es einfach nicht tun. Ich liebte sie immer noch.« Er tupfte sich die Augen trocken. »Wahrscheinlich bin ich im Herzen ein Romantiker.«
    Peter nahm mich in die Arme, und wir betrachteten den Wasserfall. Dann fragte ich ihn, ob es das einzige Mal gewesen sei, dass er jemand töten wollte.
    »Nein, es gab noch ein anderes Mal. Mein Vater verprügelte meinen Bruder und mich immer in einer Dachkammer. Einmal schlug er mich bewusstlos. Nach der Scheidung meiner Eltern waren wir bei Verwandten, in

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