Tim (German Edition)
zu erklären, dass ich solche Stipendien für unterbezahlte Profi-Verträge hielt und dass ich so etwas auf keinen Fall annehmen würde.
Außerdem erzählte ich ihm davon, dass die anderen aus meinem Team nach Hilfestellungen und Tipps beim Turmspringen fragten. Ich hoffte, dass Coach Nelson nicht sauer werden würde, denn schließlich war er der Trainer und nicht ich. Aber er ließ mich einfach machen. Ein paar Jungs aus meiner Mannschaft begannen sogar, fleißiger zu trainieren. Dadurch wurde unser ganzes Team Stück für Stück ein bisschen besser und wir gewannen ziemlich schnell alle Turniere, die uns über den Weg liefen.
Das Jahr endete für mich mit dem Brief von Charlie, in dem er mir von Tom‘s Unfall und seinem Besuch in Detroit erzählte. Ich war froh, dass Charlie für ihn da sein konnte und ärgerte mich, dass ich selbst nicht helfen konnte. Als Charlie von seinen Reiseplänen schrieb, wurde ich allerdings eifersüchtig. Wer kann es mir verdenken? Ich fühlte mich ausgeschlossen und verfluchte unsere Vereinbarung. Ich fand es nicht lustig, dass er die ganze Gang besuchte und um mich einen Bogen machte. Ich wusste, dass das nichts ändern würde, aber warum sollte ich so tun, als würde es mir nichts ausmachen?
Charlie verbrachte Thanksgiving bei seinen Eltern. Er schrieb mir, wie er überlegte, ob er sich bei ihnen outen sollte. Er beschloss aber, dass er damit warten würde, bis er ihnen den lebenden Beweis — also mich — vorstellen konnte. Ich konnte es kaum erwarten, ihre Gesichter zu sehen.
Während ich mir die Neujahrsfeier in New York im Fernsehen ansah, vermisste ich Charlie. Ich wünschte, er hätte bei mir sein können. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass ich nur noch 13 Monate ohne ihn überleben musste.
Kapitel 59: Charlie
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Das neue Jahr, 2004, begann nicht gerade gut für mich. Priscy und ich waren in Iowa City, um in den Archiven der Universität für mein Buch zu recherchieren. Dabei half uns eine nette Frau, Jane. Sie war hübsch, intelligent und ausgesprochen freundlich. Priscy verstand sich sofort mit ihr. Auf dem Heimweg erzählte sie mir, dass sie für das Wochenende eine Verabredung mit ihr hatte.
Am Montag darauf hatte sie ein breites Grinsen im Gesicht, als sie zur Arbeit kam. Sie ging an meinem Platz vorbei und legte mir eine Notiz auf den Schreibtisch: ›Sie ist lesbisch‹ . Eine Woche später bekam ich eine weitere Notiz: ›Ich bin verliebt‹ . Natürlich sprachen wir auch miteinander, aber es schien Priscy besonders viel Spaß zu machen, mir diese kleinen Bomben in Briefform zukommen zu lassen. Beim Mittagessen gratulierte ich ihr und sagte, dass ich mich für sie freute. Das stimmte auch, allerdings hätte es mich mehr gefreut, wenn es ein Jahr später passiert wäre. Eine weitere Woche später gestand mir Priscy, dass sie darum gebeten hatte, versetzt zu werden. Sie wollte näher bei Jane sein, was ich ihr nicht verübeln konnte. Damit verlor ich nicht nur meine Sex-Partnerin, sondern auch meine beste Freundin in Des Moines.
In dieser Zeit erreichte mich Tim‘s nächster Brief, in denen er einige Neuigkeiten zu berichten hatte. Unter anderem über Hal. Er hatte eine Freundin. Ihr Name war Sue und sie war ebenfalls Läuferin. So hatten sich die beiden auch kennengelernt. Tim berichtete, dass sie bei jedem von Hal‘s Wettkämpfen zu finden war und die beiden waren dabei, sich mächtig ineinander zu verlieben.
Außerdem schrieb er in seinen Briefen wie immer über seinen Sport. Langsam aber sicher meldeten sich Profi-Trainer bei Tim und Colleges versuchten, ihn anzuwerben. Tim ging das alles auf die Nerven. Zu allem Überfluss ließen ihn auch die Medien nicht in Ruhe. Wöchentlich fragte mindestens eine Zeitung an, warum Tim nicht an nationalen Wettkämpfen teilnahm. Bei den regionalen Wettkämpfen stellte er schließlich alle in den Schatten. Tim‘s Standard-Antwort war, dass er sich nicht in den Vordergrund drängen und den anderen die Chance geben wollte, ihr Können zu zeigen. Zufrieden stellte diese Antwort jedoch niemanden. Tim und Coach Nelson versuchten, das Problem mit Veranstaltungen für die Presse zu lösen. Diese fanden an Samstagen statt, an denen keine Wettkämpfe waren. Sie luden die Zeitungen ein, Tim führte ein paar Sprünge vor und sprach mit den Reportern. Aufdringliche und nervende Reporter wurden zu späteren Terminen einfach nicht wieder eingeladen. Tim beschloss, auch dieses Spiel nach seinen eigenen Regeln zu
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