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Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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Grimm. Als es greinend miaute, gab sie ihm einen
    heftigen Pfotenschlag, wenn auch mit eingezogenen Krallen,
    sozusagen mit der flachen Hand. Als das Kleine ihr trotzdem
    näherzukommen versuchte, schlug die Pfote erneut zu.
    Katzengreinen und Kinderweinen vermengten sich.
    Timm wandte schließlich den Blick ab. Er konnte es nicht mehr
    mit ansehen. Gerade in diesem Augenblick kam der Baron zurück.
    Und wieder einmal schien er dasselbe wie Timm beobachtet und die
    Gedanken des Jungen erraten zu haben. Während er sich setzte, sagte er: „Sie sehen, Herr Thaler, daß der Unterschied zwischen Menschen und Tieren nicht groß ist; er ist sozusagen kaum wahrnehmbar.“
    „Ich habe über diesen Unterschied jetzt schon drei Meinungen
    kennengelernt“, sagte Timm leicht verwirrt. „In einem Hamburger
    Theater hieß es, das Lachen unterscheidet Mensch und Tier, und es war damit gemeint, daß nur der Mensch lachen kann; auf den Bildern im Museum war es aber umgekehrt, da lachten die Tiere und niemals ein Mensch; und Sie, Baron, erzählen mir jetzt, daß es überhaupt
    keinen Unterschied gibt zwischen Mensch und Tier.“
    „Nichts auf der Welt ist so einfach, daß man es mit einem Satz
    erklären könnte“, antwortete Lefuet. „Und was das Lachen für den
    Menschen bedeutet, das, mein lieber Herr Thaler, weiß überhaupt
    niemand genau.“
    Timm erinnerte sich plötzlich an eine Bemerkung Jonnys und
    wiederholte sie halb für sich, aber laut genug, daß der Baron sie verstehen konnte: „Lachen ist Freiheit nach innen.“
    Die Wirkung dieses Satzes auf Lefuet war merkwürdig: Er
    stampfte mit dem Fuß auf und rief: „Das hat dir der Steuermann
    gesagt!“
    Timm sah ihn verwundert an, und plötzlich wußte dieser Junge
    von vierzehn Jahren, dieses halbe Kind, warum der Baron ihm sein
    Lachen abgekauft hatte und warum sich der düstere karierte Herr
    vom Rennplatz so sehr von dem jetzigen Baron Lefuet unterschied.
    Er war ein freierer Mann geworden; und es machte ihn wütend, daß
    Timm das entdeckt hatte.
    Übrigens hatte der Baron sich wie üblich sofort wieder in der
    Gewalt, und mit glatter Liebenswürdigkeit wechselte er das Thema.
    Er sagte: „Die Lage auf dem Buttermarkt, Herr Thaler, ist für uns gefährlich geworden. Ich muß mit den leitenden Herren unserer
    Firma schon morgen Maßnahmen beraten. Solche Beratungen
    pflegen auf meinem Schloß in Mesopotamien stattzufinden, und ich
    erwarte, daß Sie mich dorthin begleiten. Was Sie in Athen noch
    kennenlernen müssen, zeige ich Ihnen später einmal.“
    „Wie Sie wünschen“, sagte Timm scheinbar gleichgültig. In
    Wirklichkeit wünschte er nichts sehnlicher, als diesen
    geheimnisvollen Ort kennenzulernen, an dem der Baron in seinem
    Schlupfwinkel saß wie die Spinne im Beobachtungsposten ihres
    Netzes.
    Lefuet aber verließ Athen ungern. Als das Essen aufgetragen
    wurde, seufzte er: „Für diesmal die letzte Mahlzeit in diesem
    gesegneten Lande. Guten Appetit!“

DRITTES BUCH

    Irrwege

    Lachen ist keine Handelsware wie Margarine
    Wer damit handelt, handelt irrig.
    Selek Bei

    Einundzwanzigster Bogen

    Das Schloß in Mesopotamien

    Timm saß zum zweitenmal in dem kleinen zweimotorigen
    Privatflugzeug der Baron-Lefuet-Gesellschaft. Sie waren im
    Morgengrauen gestartet, und der Junge konnte von seinem Fenster
    aus Meer und Himmel kaum unterscheiden. Aber plötzlich sah er
    schräg unter sich hinter einem kleinen dunklen Inselbuckel den
    Sonnenball. Es war, als sei die Sonne aus dem Meer gehüpft, so
    schnell war sie mit einem Male da.
    „Wir fliegen ostwärts, der Sonne entgegen“, erklärte Lefuet. „In
    Athen wird man noch eine Weile warten müssen, ehe sie aufgeht.
    Meine Schloßbedienten beten die Sonne an. Esch Schems wird sie
    genannt.“
    „Ich dachte, Ihre Bedienten beten den Teufel an“, sagte Timm.
    „Gewiß, sie verehren Scheitan als den Herrn der Welt, nicht aber
    als den Herrn des Himmels.“
    Der Junge wollte wieder „aha“ sagen, erinnerte sich aber daran,
    daß er mit diesem gleichmütigen Wort schon einmal den Unwillen
    des Barons erregt hatte. Deshalb sagte er gar nichts, sondern sah schweigend hinunter auf das Meer, dessen bleiernes Grau sich
    ungewöhnlich rasch aufhellte, bis es zu einem gläsernen Grün
    geworden war.
    Timm fürchtete sich nicht in der Luft, aber er freute sich auch
    nicht über den Flug. Er staunte nicht einmal. Wer nicht lachen kann, der kann auch nicht staunen.
    Der Baron erklärte ihm jetzt „die Lage auf

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