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Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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Gestalt, die für Timms Augen
    beinahe eine Figur aus dem Panoptikum war, ein sehr gebildeter
    Herr zu verbergen. Der Augenschein und die Wirklichkeit
    unterschieden sich so sehr voneinander wie eine Wachsblume von
    einer lebendigen Rose. Das eben war es, was Timm verwirrte. Aber
    der Junge hatte längst gelernt, seine Gefühle zu verbergen. Höflich antwortete er dem alten Selek Bei: „Ich freue mich, Ihre
    Bekanntschaft zu machen. Der Baron hat mir schon viel von Ihnen
    erzählt.“ (Das stimmte zwar nicht; aber Timm hatte solche höflichen Schwindeleien jetzt oft gehört und machte sie nach.)
    Eine offene vierrädrige Kutsche, die von zwei Pferden gezogen
    wurde, brachte sie zum Schloß. Selek Bei ritt nebenher und
    unterhielt sich dabei mit dem Baron auf arabisch.
    Als die Kutsche um das Olivenwäldchen bog, lag das Schloß vor
    ihnen, das einen sanften Abhang krönte.
    Es war ein Monstrum, ein backsteinernes Spektakel mit
    Zinnentürmchen und Regenwasser speienden Drachenköpfen am
    Ende der Dachrinnen.
    „Glauben Sie, bitte, nicht, ich hätte diese Scheußlichkeit gebaut“, wandte der Baron sich an Timm. „Ich habe das Ding einer
    verschrobenen englischen Lady abgekauft, weil dieser Winkel der
    Welt mir gefällt. Nur der Park wurde von mir angelegt.“
    Dieser Park, der in Terrassen den Abhang hinabstieg, war auf
    französische Art angelegt. Die zu Kegeln, Würfeln und Kugeln
    geschnittenen Bäume und Büsche mußten mit Zirkel und Lineal
    gepflanzt worden sein, so schnurgerade waren die Alleen, so peinlich gezirkelt die Rondells. Jede Terrasse bildete ein anderes Ornament.
    Die Wege schienen mit einer Art rotem Kies bestreut zu sein.
    „Wie gefällt Ihnen der Park, Herr Thaler?“
    Timm, der so viel beschnittene Natur einfach blödsinnig fand,
    antwortete: „Er ist eine gut gelöste Rechenaufgabe, Baron!“
    Lefuet lachte. „Sie umschreiben Ihre Abneigung sehr höflich,
    Herr Thaler. Ich muß sagen, Sie entwickeln sich vortrefflich.“
    „Wenn ein so junger Mensch nicht sagt, was er meint, entwickelt
    er sich schlecht“, mischte sich Selek Bei vom Pferde aus ins
    Gespräch. Er sagte es ziemlich laut, um das Räderrasseln zu
    übertönen.
    Lefuet antwortete ihm auf arabisch, und zwar in ziemlich
    scharfem Tone, wie es Timm schien. Der Reiter gab keine Antwort.
    Er sah den Jungen nur mit einem langen, nachdenklichen Blick an.
    Kurz darauf verabschiedete er sich und ritt in scharfem Trab um den Hügel herum auf ein fernes Gebirge zu.
    Der Baron sah ihm nach und sagte: „Ein kluger Kopf, aber
    schrecklich moralisch. Er hat in den ausländischen Zeitungen
    gelesen, daß ich das Grab des Hirten Ali für mein eigenes
    ausgegeben und mich kurzerhand in meinen Zwillingsbruder
    verwandelt habe. Er wird darüber schweigen, aber er verlangt, daß ich als Buße seinen Gläubigen einen neuen Tempel baue. Es wird
    mir wohl nichts anderes übrigbleiben.“
    „Wenn ich könnte, würde ich jetzt darüber lachen“, erwiderte
    Timm ernst.
    An seiner Stelle lachte der Baron. Er lachte kullernd und mit
    einem Schlucker am Schluß. Und diesmal bedrückte es Timm nicht.
    Der Junge war sogar zufrieden darüber, daß er sein Lachen fortan
    stets in greifbarer Nähe haben werde. Er meinte, so könne er bei
    passender Gelegenheit schnell danach greifen. Er merkte nicht, daß das ein Irrtum war. Timm richtete sich darauf ein, den Baron bis auf weiteres zu begleiten.
    Die Kutsche hielt jetzt unterhalb der Treppe, die von Terrasse zu Terrasse bis hinauf zum Schloß führte. Von hier unten sah sie
    riesenhaft aus, fast so, als ob sie kein Ende nähme. Das Seltsamste an ihr waren aber die Hunde: steinerne Hundestandbilder, die links und rechts auf den einzelnen Stufen standen und starr und stumm ins Tal hinausglotzten. Es mußten Hunderte von Hunden sein, die da
    standen: Pinscher, Dackel, Setter, Foxe, afghanische Windhunde,
    Chow-Chows, Spaniels, Boxer und Spitze und Möpse. Sie alle
    bestanden aus glasierter, heftig bemalter Keramik, so daß sich ein buntes Gewimmel links und rechts der Treppe bis zum Schloß
    hinaufzog.
    „Die alte Lady war eine Hundeliebhaberin“, erklärte der Baron.
    Und Timm antwortete: „Das sieht man.“
    Lefuet wollte dem Kutscher gerade Anweisung geben, auf dem
    Serpentinenweg links der Treppe zum Schloß hinaufzufahren, als
    hinter einer Bulldogge aus Keramik auf halber Höhe der Treppe ein Mann erschien und ihnen zuwinkte.
    „Das ist Senhor van der Tholen“, sagte Lefuet. „Steigen wir aus
    und

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