Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Timoken und der Trank der Unsterblichkeit

Timoken und der Trank der Unsterblichkeit

Titel: Timoken und der Trank der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Nimmo
Vom Netzwerk:
Mauer!“, brüllte Gabar. „Es gibt kein Entkommen!“
    Timoken lehnte sich über den Hals des Kamels und sagte mit ruhiger, fester Stimme: „Spring, Gabar, und du wirst fliegen.“
    „Kamele können nicht fliegen“, schnaubte Gabar.
    „Glaub mir, du kannst es“, erwiderte Timoken.
    „Wenn du es sagst, dann werde ich es glauben!“
    Das Vertrauen des Kamels überraschte Timoken. Er hatte seinen eigenen Worten kaum glauben können. Jetzt musste er dafür sorgen, dass sie wahr wurden. Aber die Idee war geradezu absurd. Wie sollte er ein Kamel in den Himmel steigen lassen?
    Die Mauer war nur noch wenige Meter entfernt. Timoken schloss die Augen. Mit einer Hand drückte er die Zügel fest gegen den Brustkorb. Er spürte das wilde Pochen seines Herzens und zitterte. Dann lehnte er sich vor und griff mit der freien Hand nach einem Büschel struppigem Kamelhaar. Und mit der Kraft all seiner Gedanken, seiner ganzen Seele, stieg er in den Himmel auf.
    Die Wirkung der Schwerkraft war so gewaltig, dass sie ihm den Atem nahm. Sie zerrte an seinem Körper und dröhnte in seinem Kopf. „Hinauf! Hinauf!“ Es fühlte sich an, als würde seine Lunge platzen und sein Körper zertrümmert werden. Doch gerade als er zu glauben begann, er hätte seine Kräfte überschätzt, verwandelte sich der holprige Gang des Kamels in eine ungewohnt schwingende Bewegung und der Sattel hörte auf hin- und herzurutschen.
    Timoken öffnete die Augen. Um ihn herum war nichts als Himmel.
    Gabar machte keinen Mucks. Es schien, als hätte er aufgehört zu atmen. Auch Zobayda war viel zu überrascht, um irgendetwas zu sagen. Und Timoken hatte seine letzten Kraftreserven für den Aufstieg aufgebraucht und war froh, einfach schweigend durch die Lüfte zu gleiten. Am Horizont ging langsam die glühende Sonne unter. Der Himmel verfärbte sich zu einem dunklen, samtenen Blau. Eine milde Brise streifte Timokens Gesicht und ein vorbeifliegender Vogel kreischte bei dem erstaunlichen Anblick eines Kamels in der Luft.

Der Ring
    Ein wunderbares Abenteuer hatte begonnen. Mehr als einhundert Jahre durchstreiften Timoken und Zobayda die Städte Nordafrikas. Mit ihren magischen Fingern vervielfachte Zobayda die Juwelen, die sie aus der Schatzkiste an sich genommen hatte, sodass weder die Geschwister noch Gabar jemals Hunger leiden mussten.
    Trotzdem machte das Kamel ab und zu Schwierigkeiten. Manchmal wollte es nicht fliegen. Es war der Meinung, es sei würdelos, vor den Augen anderer Kamele in den Himmel zu steigen. Die anderen wären sicher nicht besonders beeindruckt davon, eines von ihnen in der Luft zu sehen. Kamele taten so etwas nicht. Manchmal machte das den Kindern das Leben unnötig schwer, denn oftmals war das Fliegen die einzige Möglichkeit zu entkommen.
    Es machte den beiden Spaß, das Land zu erkunden, doch überall lauerten auch Gefahren, insbesondere für zwei Kinder, die allein unterwegs waren und Essen und Kleidung mit kostbaren Edelsteinen bezahlten. Oft wurden sie von Banditen bedroht oder von Entführern verfolgt und entkamen nur knapp den Messern, die auf sie geschleudert wurden.
    Und dann gab es da noch die Viridees, die hinter Bäumen, in Brunnen und Höhlen oder an anderen dunklen Orten lauerten und sich mit ihren langen Armen und schnalzenden Zungen auf die Kinder stürzten.
    „Flieg, Gabar, flieg!“, schrie Timoken dann, zog an den Zügeln und zerrte an den Haaren des Kamels.
    Doch Gabar schaute sich immer erst um, um sicherzugehen, dass ihn kein Artgenosse beobachtete. Wenn auch nur ein Kamel in der Nähe war, schnaubte er: „Nicht jetzt!“ Und die Kinder mussten tatenlos abwarten, bis das Kamel es zuließ, sich in die Luft ziehen zu lassen.
    Jede Nacht schliefen Timoken und Zobayda unter dem Mondspinnennetz. Sie nannten es Mondumhang und sie wussten, dass sie unter seinen Seidenfäden sicher waren. Wenn sie einmal ohne diesen Schutz angegriffen wurden, benutzte Zobayda ihre magischen Finger, um zu entkommen. Sie konnte damit Dinge schrumpfen lassen, anzünden oder zerreißen, und wenn irgendjemand Timoken oder Gabar anfasste, musste sie nur ihre Finger auf den Angreifer richten und er ließ sie schreiend vor Schmerzen und Angst wieder los.
    Doch nicht jeder, dem sie begegneten, war bösartig. Oft wurde den Kindern auch Gutes getan. Sie bekamen zum Beispiel eine Mahlzeit und ein Bett in Häusern, in denen echte Wärme und Freundlichkeit herrschten. Dann dachten die verwaisten Geschwister jedes Mal darüber nach, ob sie in dieser

Weitere Kostenlose Bücher