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Tintorettos Engel

Titel: Tintorettos Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melania G. Mazzucco
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Carpenedo zu bringen, Boot und Kutsche habe ich bereits bestellt.»Kutsche, wohin? Ich erinnerte mich nicht einmal mehr, wo ich war, ich wollte nicht weg, ich war doch gerade erst zurück.
    Faustina merkte nicht, dass ich mit vom Mohnpulver verklebtem Mund nicht sprechen konnte, und hob zu einem ihrer hitzigen Monologe an - in meinen vom Opium taub gewordenen Ohren schwirrten Wörter umher wie Carpenedo, Mückennetz, Gepäckträger, mein Diener wie ein Hund, der nur auf mich hört, die Kutscher, die Unsummen kosten, drei Scudi wollen sie für die Fahrt, kannst du sie mir nicht leihen, ich finde nämlich mein Geld nicht mehr, und deine Kiste ist leer, was hast du mit dem Geld von den Mönchen von San Giorgio angestellt, wie hast du es so schnell ausgeben können? Du hast Hände wie ein Sieb, du wirst mich noch zugrunderichten, mein lieber Jacomo, und dann diese Gauner von Fährmännern, da rudert man doch lieber gleich selbst, um sich nicht so ausplündern zu lassen, und diese faulen, erbärmlichen Pferde, allein Gott weiß, ob sie es bis Carpenedo schaffen oder ob sie uns unterwegs zusammenbrechen. Müssen wir die Pächter benachrichtigen lassen, oder fahren wir ohne Ankündigung?
Letzten Endes ist es unser Haus. Je länger sie von der Reise sprach, desto stärker wurde das Leuchten in ihren Augen. Seitdem wir zu den Alten gehören, kann es meiner Gemahlin, die immer eine Frau der Stadt gewesen ist, nicht schnell genug aufs Land gehen. Nie habe ich verstanden, ob sie tatsächlich unser einfaches Haus zwischen den Weinbergen und den Kornfeldern mag, das lästige Summen der Insekten und die sonnige Ebene ringsum - oder ob ihr an Carpenedo vielmehr mein Müßiggang und meine Einsamkeit gefielen. Denn nur dort oben spürt sie, dass ich ganz und gar ihr gehöre, dass sie die langwierige Schlacht gewonnen hat, weil ihr dort endlich niemand mehr das nehmen kann, was von mir noch übrig ist.
    Vielleicht habe ich im Traum gesprochen, vielleicht phantasierte ich auch. Mohn verursacht Sinnestäuschungen und lässt einen durch Zeit und Erinnerungen stolpern. Ich muss ihren Namen genannt haben, da mir Ottavia eifrig zu erklären versuchte, dass sie leider nicht Marietta sei - ich bin es nur, Ottavia. Sie war also in meinem Zimmer: Als wartete sie auf jemanden, saß sie am Fenster, durch das sie hin und wieder einen Blick auf den Kanal werfen konnte, und stickte. Sicherlich hatte ihre Mutter sie gebeten, auf mich aufzupassen, solange sie der Dienerschaft Anweisungen gab. Immer wenn wir aufs Land fuhren, ereigneten sich bei uns in den Tagen davor wahrhafte Tragödien. Da Faustina über diese Dinge herrschte und waltete, habe ich mich nie darum gekümmert, aber für achtundvierzig Stunden verwandelte sich unser kleiner Palazzo in ein Tollhaus. Zwischen Gekreische, Jammereien und Widerworten liefen meine Mädchen treppauf und treppab, ein einziges Ein- und Auspacken von Koffern, das Gepäck durfte nicht zu schwer wiegen, es gab Gezanke, weil die Mutter ihnen vorhielt, zu viele Sachen mitzunehmen, und die Töchter ihrer Mutter vorwarfen, nur unnützes Zeug einzustecken. Wenn alles fertig war, brauchte ich nur noch die Haustür zu verriegeln.
    «Papa», sagte Ottavia auf einmal mit fröhlicher Stimme,«Menego
hat mir ein tolles Geschenk gemacht. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie galant und einfühlsam dein Sohn ist. Während du gestern wie ein Bär geschnarcht hast, hat er uns auf San Giorgio Maggiore die Grablegung gezeigt. Nun, es ist die schönste, die ich je in meinem Leben gesehen habe.»«Oh», brummte ich,«was hast du denn schon gesehen, du kleines Klostermädchen du …»«Ich habe mit Laura gewettet», fuhr sie fort, ohne eine Miene zu verziehen.«Verrätst du mir, wer der Alte mit dem weißen Bart neben der Leiche ist?»«Leiche, Ottavia!», ermahnte ich sie,«so kannst du doch nicht über Unseren Herrn sprechen.»«Du warst es, der ihn als Leiche gemalt hat, nicht ich», erwiderte sie. Sie ist frech wie Marietta. Das war mir bisher nie aufgefallen. Ich dachte lediglich, dass es gewiss schwer werden würde, sie ins Kloster zu schicken. Aber am Ende wird sie sich damit abfinden. Das ist bei Frauen immer so.
    «Wer ist denn nun der Alte?», hakte sie noch einmal nach.«Laura meint, es sei Nikodemus. Ich habe um die Spange aus Elfenbein dagegen gewettet, dass du es bist. Er hat nämlich drei Falten auf der Stirn und genau so einen struppigen Bart wie du.»«Es ist Josef von Arimathäa, Ottavia. Wofür habe ich dich denn

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