Tiphanie – Feuer der Sehnsucht
auf das Lächeln einer Frau hereinzufallen.
»Ihr müsst Euch keine Sorgen um das Mädchen machen, Messire! Sie wird diese Nacht in Kürze vergessen haben«, behauptete der Medicus, ehe er seine Pforte wieder sorgsam hinter ihm verschloss.
Erwann löste sich aus dem Schatten der Bürgerhäuser gegenüber, wo er auf seinen Herrn gewartet hatte. Er hatte seinen Auftrag erfüllt, aber seine Auskunft brachte den Ritter nicht weiter.
»Die Stadttore sind wie immer bei Sonnenuntergang geschlossen worden. Niemand hat drei Männer gesehen, die spät noch Auslass verlangt haben. Man könnte meinen, der Fluss habe sie verschluckt ...«
»Damit habe ich auch nicht gerechnet«, entgegnete Jannik und massierte sich mit einer Hand den steifen Nacken, während sie, nebeneinander gehend, dem Unratbach auswichen, der in der Mitte der Gasse vom Regen in die nahe Vilaine gewaschen wurde. Der Wind trieb den beißenden Gestank davon, der aus dieser Rinne aufstieg, und rüttelte an den Dächern und Kaminen der schlafenden Stadt. Der Knappe wartete vergeblich darauf, dass sein Herr weitersprach.
»Wir müssen die Wachen des Herzogs alarmieren«, schlug er schließlich selbst vor. Durch seinen Anteil an der Befreiung Tiphanies fand er sich mutig genug, seine Meinung zu sagen, ohne dass er gefragt wurde. Schließlich hatte ihn sein Herr sogar damit beauftragt, die Spur der flüchtigen Söldner zu verfolgen.
Dummerweise hatte er keinen Erfolg damit gehabt. Ebenso wenig wie bei seinem Herrn. Auch von ihm bekam er keine Antwort. Der Ritter ging weiter, als habe er nichts gehört. Tief in Gedanken versunken, die er mit niemandem teilen wollte. Auch nicht mit einem noch so treu ergebenen Knappen.
17. Kapitel
Das ist unmöglich, Jannik! Wir können diese Lüge nicht länger aufrechterhalten!« Dame Marthe rang die Hände, und ihre Züge unter der eleganten Spitzenhaube bekamen einen ungesunden Rotstich. »Wie stellst du dir das vor? Die Herzogin fragt nach Tristane, und alle Welt möchte wissen, wo Marron steckt!«
»Wo ist da eine Lüge?« Jannik de Morvan goss sich einen Becher Wein ein und hob die Brauen in einer Art und Weise, die seine Tante nur noch mehr aufbrachte.
»Ihr wisst genau, was ich meine! Diese Geschichte, dass Tristane ihren Hund pflegt und nicht von seiner Seite weicht, ehe er wieder gesund ist. Wer soll das eigentlich glauben?«
»Jeder, der es möchte«, erwiderte der Ritter. »Ihr seid niemandem Rechenschaft schuldig darüber, was Eure Nichte tut, liebe Tante. Und da Marron Tiphanie jedes Mal auf den Fersen folgte, hat die Sache doch ihre Richtigkeit. Jedermann weiß, dass Marron verletzt zu seiner Herrin zurückkam.«
»Warum sagt Ihr nicht einmal mir, was wirklich passiert ist?«, beschwerte sich die Edeldame aufgebracht. »Wieso wurde die Kleine verletzt, und wieso habt Ihr sie bei diesem Medicus gelassen, in einer Umgebung, die wirklich nicht ihrem Rang angemessen ist.«
»Meister Tadéus ist jedem gewöhnlichen Bader überlegen. Seine Reisen zu den Mauren haben ihn mit einem Wissen versehen, das sogar der Leibarzt Seiner Gnaden schätzt. Achtet mir den Mann nicht zu gering«, mahnte ihr Neffe. »Tiphanie ist bei ihm in den besten Händen. Ihr müsst Euch keine Sorgen machen.«
»Tiphanie!«, schnaubte die Dame. »Sie heißt Tristane, wie oft muss ich das noch sagen? Tristane de Kelén, wir müssen die Sache vor den Herzog bringen. Er muss sie in ihre Rechte einsetzen und ...«
»Gemach! Wollt Ihr nicht erst abwarten, was sie selbst zu Euren Neuigkeiten sagt, ehe Ihr über ihren Kopf hinweg Entscheidungen trefft, die höchstens Ihr Vater für sie treffen könnte!«
»Sie hat nun einmal keinen Vater mehr«, erinnerte Marthe de Branzel bestimmt. Sie schmiedete Pläne, und sie wollte sich nicht von ihm davon abbringen lassen. »Um so mehr benötigt sie meine Hilfe. Wieso lasst Ihr mich nicht zu Ihr?«
»Meister Tadéus hat jede Aufregung verboten, und an seine Gebote müssen wir uns halten ...«
Die Edeldame gab ein entrüstetes Prusten von sich, das einiges darüber aussagte, was sie von Meister Tadéus’ Geboten hielt. Jannik de Morvan schwankte zwischen Gereiztheit und Belustigung. Es war ihm nichts Neues, dass Marthe de Branzel ehrgeizige Ziele anvisierte und sich in seine Angelegenheiten zu mischen versuchte. Er hatte gelernt, ihre Fallen zu vermeiden. Doch Tiphanie wollte er nicht länger unter der alleinigen Macht dieser allzu anspruchsvollen und ruhmsüchtigen Dame sehen.
Sie würde den kleinen
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