Titan 09
gegenüberzustehen.
Aber was er sah, war nichts anderes als eine flache Platte, auf der sich gedämpfte rote Lichtpunkte hin und her bewegten, ohne erkennbares Ziel. Sofort gab er seine Entdeckung durch, und der Kapitän erwiderte: »Sehr gut, Mr. Dort. Schalten Sie das Suchgerät ein und senden Sie. Sie haben uns einen einfachen Roboter geschickt, der über einen Infrarotbildschirm verfügt, der Kommunikationszwecken dient. Egal, was wir auch anstellen könnten, wir würden höchstens ein wenig Technik beschädigen. Möglicherweise rechnen sie damit, daß wir das Ding zu uns an Bord holen, und haben irgendwie eine Bombe eingebaut, die hochgeht, sobald sie sich auf Heimatkurs begeben. Wir werden ein Suchgerät draußen anbringen, womit wir die Kugel beobachten können. Sie kehren zum Schiff zurück.«
»Verstanden, Sir«, gab Tommy zurück. »Aber – in welcher Richtung befinden Sie sich?«
Um ihn herum gab es keine Sterne. Alles, was Tommy von der Oberfläche des kugelförmigen Roboters aus sehen konnte, war die Doppelsonne im Zentrum des Nebels. Er hatte völlig die Orientierung verloren. Und ein Bezugspunkt war zu wenig, um von ihm aus die Llanvabon wiederzufinden.
»Schweben Sie auf die Doppelsonne zu«, kam die Anweisung über die Helmlautsprecher. »Wir fischen Sie auf.«
Ein wenig später trieb eine weitere einsame Figur an ihm vorbei auf das fremde Beiboot zu, eingehüllt in einen Raumanzug und ein Suchgerät mit eingebauter Fernsehkamera mit sich tragend. Somit bestand nun für beide Schiffe die Möglichkeit, miteinander Kontakt aufzunehmen, ohne die Schiffe zu gefährden. Die beiden unterschiedlichen Bildsysteme würden in der Lage sein, alle Informationen zu übermitteln, die man zu geben gewillt war. Man würde miteinander darüber debattieren können, auf welche Art und Weise man den anderen davon überzeugen konnte, daß der erste Kontakt mit einer anderen Rasse nicht zur Vernichtung des eigenen Volkes führte.
Aber die sicherste Methode, zu verhindern, daß man betrogen wurde, war immer noch die eines blitzschnellen und tödlichen Angriffs – die putative Notwehr.
II
Die Llanvabon war ein Raumschiff, das zwei Ziele gleichzeitig verfolgte. Einmal hatte man sie von der Erde losgeschickt, um genauere Informationen über das Doppelsonnen-System innerhalb des Crab-Nebels zu sammeln. Dieser Nebel war das Resultat einer der gewaltigsten Explosionen, von denen die Menschheit wußte, und sie hatte irgendwann im Jahre 2946 v. Chr. stattgefunden. Chinesische Astronomen hatte sie im Jahre 1054 beobachtet, und das war keineswegs schwierig gewesen, denn die Auswirkungen dieser Explosion waren dreiundzwanzig Tage lang – und keinesfalls nur nachts – zu sehen. Der Lichtschein – obwohl der Schauplatz des Ereignisses viertausend Lichtjahre von der Erde entfernt – war heller gewesen als der der Venus.
Aufgrund dieser Tatsachen war es für die Astronomen des zwanzigsten Jahrhunderts natürlich kein Problem, das Ausmaß dieser Katastrophe festzustellen. Die ausgeschleuderte Materie breitete sich mit einer Geschwindigkeit von 2 300 000 Meilen in der Stunde aus; das waren mehr als 38 000 Meilen in der Minute und etwas mehr als 638 Meilen pro Sekunde. Als man im zwanzigsten Jahrhundert die Teleskope auf diese Stelle richtete, war nur noch das Doppelsonnen-System übriggeblieben – und der Nebel. Der hellere der beiden Sterne besaß eine solch hohe Oberflächentemperatur, daß er in seinem Spektrum keine Linien zeigte. Während die Oberflächentemperatur Sols 7 000 Grad beträgt, liegt die des weißen Zwergs bei 500 000. Er hat nahezu die Masse Sols, sein Durchmesser beträgt aber nur ein Fünftel, so daß seine Dichte nahezu 173mal größer ist als die des Wassers und sechzehnmal größer als die von Blei und achtmal größer als die von Iridium, die schwerste Substanz, die man auf der Erde kennt. Aber selbst diese Dichte ist für einen weißen Zwerg ungewöhnlich, und das liegt daran, daß der, den die Llanvabon untersuchen sollte, innerhalb des Crab-Nebels eine Ausnahme bildete. Der weiße Zwerg des Doppelsonnensystems stand kurz vor seinem Zusammenbruch. Die Beobachtung eines solchen Objekts lohnte sogar den Einsatz eines Forschungsschiffes. Und deshalb hatte man die Llanvabon losgeschickt. Die Begegnung mit einem fremden Raumschiff, dessen Insassen offenbar ähnliche Absichten hatten, überschatteten den eigentlichen Sinn der Expedition und gaben ihr mithin ein zweites, vielleicht wichtigeres
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