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Titan 20

Titan 20

Titel: Titan 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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disziplinierten Gegenwart die freien, harten Traditionen der Vergangenheit bewahren, die auf dem Heimatplaneten ... Geben Sie die Flasche noch einmal her, Trapper!«
    Orel sah etwas verstört zu. Sein Onkel wußte doch ganz sicher, wie ungesund ...
    »Meine Familie waren ziemlich wichtige Leute auf dem Heimatplaneten.« Der alte Fallensteller begann, sich jetzt zu wiederholen, das mußte am Inhalt der Flasche liegen. Draußen – es hatte inzwischen begonnen zu dämmern – war wieder das wilde, ziemlich beängstigende Geräusch zu hören. Der alte Mann stellte die Flasche weg. »Kommt näher«, sagte er wie im Selbstgespräch. Er stand auf und nahm seine Waffe. »Ich bin nicht lange weg ... Normalerweise kommen die nicht so nahe ... Der Winter war hart. Der hier klingt hungrig. Aber keine Angst, junger Mann«, sagte er von der Tür her zu Orel, »es besteht keine Gefahr, daß er mich auffrißt.«
    »Onkel ...«, sagte Orel nach einer Weile. Der Ratsherr blickte auf. »Sei nicht böse, aber ... Kommt es dir je in den Sinne, daß wir in der Stadt ein ziemlich nutzloses Leben leben – verglichen mit ihm , meine ich?«
    Der Ratsherr lächelte. »Ach komm schon! Jetzt fehlt nur noch, daß du weglaufen willst und auch Spaß haben. Denn darauf läuft es doch hinaus: Spaß. Die Tiere – die großen ›Biester‹, wie er sie nennt – sind schon lange keine Gefahr mehr für uns. Schon nicht mehr, seit wir von Fleisch auf Synthetik übergegangen sind. Also ist es in Wahrheit gar kein so nützliches Leben, das der alte Mann führt. Wir zahlen die Prämien ja bloß noch, weil unsere Tradition uns zögern läßt, zuzugeben, daß die Dinge sich verändert haben ...« Er stand auf, ging ein paar Schritte, streckte sich.
    »Wir könnten diese Geschöpfe ein- für allemal ausrotten, dazu würden wir nur eine Saison brauchen. Wir brauchten bloß überall vergiftete Köder auslegen. Dann könnten wir sie vertilgen.«
    Orel fragte etwas verwirrt, weshalb das nicht geschah.
    »Und dann will ich dir noch etwas sagen – aber schreib das nicht in deinen Bericht – der Alte schwindelt manchmal, wie alle Fallensteller. Er läßt oft Weibchen und Junge frei. Er will das Risiko nicht eingehen, daß sein Tal einmal leer ist. ›Warum wir das nicht tun‹ fragst du – warum wir die Tiere nicht ein für allemal ausrotten, anstatt Jahr für Jahr Prämien zu bezahlen? Nun, im Augenblick sind die Kosten gering. Und was die Mittel für einen umfassenden Feldzug angeht – wer würde sich schon dafür aussprechen? Ich jedenfalls nicht.
    Keine Jagd mehr – keine 3-D-Spiele über das aufregende Leben in der Wildnis – keine Fallensteller mehr – nein, das würde uns den letzten Schwung nehmen. Und wir sind ohnehin schon schwunglos genug – müde genug!«
    Orel runzelte die Stirn. »Aber weshalb sind wir so? Das waren wir doch nicht immer. Ein müdes Volk wäre doch nie vom Heimatplaneten hierhergezogen, hätte diesen hier nie erobern können. Warum sind wir so – abgeschlafft?«
    Der Ratsherr zuckte die Achseln. »Ist dir eigentlich klar, was für ungeheure Mühe es gekostet hat, eine solche Menge Leute über so große Entfernung zu versetzen? Und die Mühe, die anschließend nötig war, um eine wilde, neue Welt zu unterwerfen? Die schrecklichen Lasten des Kampfes gegen den Kolonialismus – und schließlich die Bürgerkriege? Wir mögen nicht einmal mehr daran denken – wir schaffen uns lieber unsere eigenen Legenden über das Leben hier draußen in der Wildnis – und dabei haben wir uns die ganze Zeit immer weiter in unsere Städte zurückgezogen. Wir sind müde. Wir haben unsere Energien verbraucht, genauer gesagt, sie verpfändet. Wir essen synthetische Nahrung, weil es bequemer ist, nicht weil es gesünder ist.«
    Ein kalter Windstoß traf sie. Sie fuhren herum. Der alte Trapper kam herein und zerrte seine Beute an den Vordergliedmaßen hinter sich her. Er schloß die Tür. Die beiden Stadtleute gingen auf ihn zu. Seine Beute war ein großes männliches Tier, hager und ausgemergelt von den schlechten Jagdmöglichkeiten, die der Winter für die Geschöpfe der Wildnis bedeutet hatte.
    »Da sehen Sie!« meinte der Trapper und zeigte auf die Füße seiner Beute. »Der hat zwei Zehen verloren, alte Wunde. Muß sich schon einmal aus einer Falle befreit haben. Da – die Narben hat er sich beim Kampf in der Paarungszeit zugezogen, denke ich. Das hier ist eine Verbrennung. Ziemlich übel. Wann hatten wir den letzten großen Waldbrand? –

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