Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Titanen-Trilogie 02 - Die Kinder der Titanen

Titanen-Trilogie 02 - Die Kinder der Titanen

Titel: Titanen-Trilogie 02 - Die Kinder der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
Vom Netzwerk:
kümmerte es sie, ob er den Reif trug oder nicht? Er hatte keine Frau, der er ihn geben konnte.
    Tagsüber tat Var, was von ihm verlangt wurde und ging damit Schwierigkeiten aus dem Weg. Nachts aber entledigte er sich seiner konventionellen Kleidung, zog sich Lumpenzeug an und durchstreifte bloßfüßig die wilden Regionen von Neu Kreta. Die Insel war groß, mindestens zwanzig Meilen im Durchmesser, und es gelang ihm, sie im Laufe der Zeit zu erkunden, ohne die Bewohner auf sich aufmerksam zu machen. Und überdies konnte er sich ungestört in seinen Waffen üben. Er fertigte ein hübsches Stockpaar aus altem Holz an und handhabte es bald so geschickt wie einst seine Metallstöcke im Ring. Nicht das Gerät, sondern die geschickte Hand war es, was hier zählte. Er lernte das Land genau kennen und wagte sich sogar ein Stück in den dunklen Tunnel hinein, der von der Insel im Westen abzweigte. Der Gang war mit Abfällen gefüllt. Er wurde nicht von mechanischen Fegemaschinen saubergehalten, und war als Mülldeponie benutzt worden.
    Und er erkundete das Tempel-Reservat. Es handelte sich um ein von Mauern umgebenes Viertel, etwa eineinhalb Meilen lang, das nicht allzu schwer bewacht wurde. Var konnte sich mühelos einschleichen. Die Mädchen wurden täglich ins Freie geführt, wo sie Bewegungen machen mußten, Soli unter ihnen. Var stellte fest, daß sie gut behandelt wurde. Allmonatlich bei Vollmond wurde eines der älteren Mädchen zu einer Schlucht geführt und dort angekettet. Am nächsten Abend war sie verschwunden. Den Gott Minos bekam Var niemals zu Gesicht, da das Ungeheuer eigenartigerweise nicht bei Vollmond fraß, sondern nur bei Tag. Und Var mußte tagsüber arbeiten und durfte nicht riskieren, daß man ihn innerhalb des Tempelviertels antraf.
    Im zweiten Jahr baute er ein Boot. Kein so gutes wie das der Amazonen, in dem sie hier angekommen waren. (Was war daraus bloß geworden? Warum hatte man es nicht als Gegenwert für die ärztliche Betreuung einbehalten?) Und mit Sicherheit kein Boot, mit dem er die Fahrt aufs offene Meer wagen konnte, selbst wenn sein Geschick als Bootsführer dazu ausgereicht hätte. Aber das Boot würde genügen, um Soli Mut zu machen und ihr ein Versteck zu bieten, bis er bessere Vorkehrungen treffen konnte. Zunächst mußte er sie vor Minos retten.
    Denn wenn man sie für den Gott in der Schlucht ankettete, und sie dann gerettet wurde, hätte sie sich der Form nach an den Handel gehalten. Sie hätte sich geopfert und wäre unerwartet befreit worden. Er mußte nur Minos davon abhalten, sie zu verschlingen. Dann mußte er sie mit sich nehmen, und der Tempel würde nie etwas erfahren.
    *
    Der Morgen kam. Var beobachtete alles, denn er kannte das allmonatliche Datum der Zeremonie (schließlich konnte er den Mond ebensogut beobachten wie ein Priester), und er wußte, daß sie an der Reihe sein mußte. Die meisten Mädchen waren nun jünger als sie, und der Tempel bot nicht länger als unbedingt notwendig Unterkunft und Verpflegung. An diesem Tag würde er seine Runden nicht machen – er würde nie wieder Müll wegschaffen.
    Soli, die in den zwei Jahren fast erwachsen und heiratsfähig geworden war, wurde von verhüllten Priestern zur Schlucht geführt und dort angekettet. Die Männer – Var nahm an, daß es Männersache war, obwohl er sich über ihr Geschlecht nicht im klaren war – schlugen spitze Halterungen in den Stein und Solis Gelenke wurden in Schulterhöhe darin festgemacht. Er hatte Soli lange nicht aus der Nähe gesehen und mußte feststellen, daß sie ihrer leiblichen Mutter Sola mittlerweile sehr ähnlich geworden war.
    Er lauerte hinter den Bäumen, bis die Priester verschwunden waren. Eine halbe Stunde wartete er, damit er sicher sein konnte, daß niemand zurückkam und daß niemand anders zusah. Die Schlucht war vom Tempel her nicht einzusehen, wahrscheinlich aus Rücksicht auf die zurückbleibenden Mädchen. Var wußte nun, wie die meisten der Unglücklichen hineinkamen. Sie gingen freiwillig, um ihre Familien vor Hunger zu bewahren, denn auf der Insel gab es viele Arme. Die Philosophie des »Wer-nicht-arbeitet-soll-nicht-Essen« war ein sehr dünner Deckmantel für die Unterdrückung der Glücklosen. Der Lohn, den Var bekam, war für eine Familie nicht ausreichend. Elend und Not waren weit verbreitet. Da war das System der Irren und Nomaden in Amerika schon besser, denn dort mußte niemand hungern.
    Kaum hatte er sich vergewissert, daß er unbeobachtet war, ließ Var

Weitere Kostenlose Bücher