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höchst aufmerksam gegen mich und für seine arme Gattin standen die Dinge natürlich um so schlimmer. Nelson hatte nämlich allen seinen Verwandten rund heraus erklärt, daß er nur mit denen in gutem Einvernehmen bleiben würde, welche sich gut gegen mich betrügen. In der Tat hatte auch Nelson seit Sir Williams Tode die Existenz der armen Mistreß Nisbet – so nannte er seine Frau stets – ganz vergessen und mich als seine einzige und wirkliche Gattin betrachtet und behandelt. Aus den von mir mitgeteilten Briefen hat man ersehen, daß seine Liebe zu mir, anstatt sich zu vermindern, nur noch feuriger geworden war. Als ich aber, seiner langen Abwesenheit müde und ärgerlich über die verächtliche Begegnung jener lächerlichen Spießbürger ihm schrieb, daß ich zu ihm kommen würde, um mit ihm auf seinem Schiffe zu wohnen und alle Gefahren mit ihm zu teilen, antwortete er mir mit einer Festigkeit, die ich nicht erwartet: »Sie wissen, liebe Emma, daß ich mich zur See immer unwohl befinde. Bedenken Sie daher, was eine Kreuzfahrt vor Toulon ist, wo wir selbst im Sommer wenigstens einmal wöchentlich starken Wind und zwei Tage hochgehende See haben. Ich will nicht, daß Sie und Horatia auch krank werden. Die arme Kleine, wie wäre es möglich, sie an Bord eines Schiffes zu haben! Übrigens habe ich selbst den Befehl gegeben, daß kein Weib, wer es auch sei, an Bord der ›Victory‹ kommen dürfe, und nun sollte ich der erste sein, der diesen Befehl überträte? Davor bewahre mich Gott!«
Ich darf hierbei nicht unerwähnt lassen, daß infolge meines unglücklichen Hanges zur Verschwendung die Einkünfte von Merton Place, das Vermächtnis von Sir William und das Jahrgeld, welches Nelson mir ausgesetzt, obschon dies alles zusammen beinahe sechzigtausend Franks ausmachte, nicht zureichte. Ich drang daher fortwährend in Nelson, bei Addington die Fortzahlung der Pension, welche Sir William bezogen, nachzusuchen; Nelson aber, welchervon den Mitteln, die ich brauchte, keinen Begriff hatte und sich nicht denken konnte, daß ich mit meinem Einkommen nicht ausreichte, antwortete mir: »Wenn Mr. Addington Ihnen die Pension bewilligt, so wird es gut sein; aber geben Sie sich keine Mühe, um sie zu erlangen. Besitzen Sie nicht Merton Place ohne Hypothek und ohne jemandem etwas schuldig zu sein? Liebe Emma, für meine Horatia ist schon gesorgt, und ich hoffe, daß Sie früher oder später meine rechtmäßige Gemahlin werden, dann gebe ich für die ganze übrige Welt keinen Pfifferling.« Zuweilen machte er mir auch zärtliche Vorstellungen über die Notwendigkeit der Sparsamkeit. Man erkannte in ihm den Mann, der, nachdem er lange Armut erduldet, immer fürchtete, daß es ihm wieder einmal an Geld fehlen könne. Ganz besonders verlangte er, daß ich soviel als möglich in Merton wohnte, wo ich natürlich weniger Ausgaben hatte als in London. Wäre Nelson bei mir gewesen, so wäre es mir natürlich nicht eingefallen, etwas anderes zu tun, als blindlings seinen Ratschlägen zu folgen. In seiner Abwesenheit aber bemächtigte sich meiner allmählich die Langweile dieses unbeschäftigten Lebens, welches ich führte, nachdem ich mich vorher in einem so tätigen bewegt, und da es mir unmöglich war, immer an einem Orte zu bleiben, so ging ich von Merton Place nach London, wo Feste, Gesellschaften und das Spiel mich viel Geld kosteten. Ich war gewohnt, einen Teil des Sommers in den Seebädern zuzubringen, und hier besonders waren meine Ausgaben wahrhaft enorm. Dieser Aufwand beunruhigte Nelson; ich sagte ihm aber, die Seebäder seien mir von den Ärzten empfohlen, und er konnte darauf weiter nichts sagen als: »Gehen Sie ins Bad,« wenn ich noch nicht dort war; oder: »Bleiben Sie!« wenn ich schon dort war. Wie beiläufig aber, oder in einer einem zärtlichen Briefe angehängten Nachschrift sagte er: »Es ist notwendig, meine liebe Emma, mit der größten Sparsamkeit zu Werke zu gehen. Die Verschönerungen unseres lieben Merton Place können nur mit Hilfe unserer Ersparnisse in Angriff genommen werden, und unser liebes Merton vor allem.« Und dann setzte er, leider vergebens, hinzu: »Ihr gutes Herz wird mir ganz gewiß recht geben, denn Sie begreifen, daß infolge des Krieges alles sehr teuer ist, daß wir Freunde haben, die unser bedürfen, und die wir unterstützen müssen, und ich bin überzeugt, Sie werden mehr Vergnügen daran finden, diese Pflicht zu erfüllen, als einen Haufen Schmarotzer zu mästen, die keine Freundschaft
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