Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
Vom Netzwerk:
auffallend muskulöser Burschen mit verwitterten Gesichtern. Sie trugen Hosen und Jacken aus Leder.
    »Flachbootmänner. Das sind noch ganze Kerle, was?«, krächzte jemand hinter Lea.
    Sie fuhr herum. Unter einem Baum stand ein knorrig aussehender alter Mann und beobachtete das Treiben. Sein Gesicht war braun und runzelig, die Hose starr vor Schmutz. Auf dem Kopf trug er, wie die Sklaven in New Orleans, einen Strohhut zum Schutz gegen die Sonne. Einige Strähnen grauen Haares lugten darunter hervor. Mit Genuss spuckte er einen Tabakstrahl dicht an Leas Gesicht vorbei in den Staub. Dann winkte er Lea zu sich heran.
    »Diese Männer sind die wahren Helden Amerikas. Mit ihren flachen Booten durchpflügen sie den Mississippi, arbeiten in den tiefen Wäldern und legen sich sogar mit Bären und Alligatoren an.«
    Ein Indianer mit eingefallenem Gesicht und nacktem Oberkörper schlenderte vorüber, als kümmere all dies ihn nicht. Das lange dunkle Haar wurde von einem Stirnband zusammengehalten.
    »Ein Indianer! Ich wusste gar nicht, dass es sie hier noch gibt«, flüsterte Lea.
    »Ihre Zeit ist vorbei. Nur wenige Jahre noch – und es wird am unteren Mississippi kein Indianer mehr zu sehen sein. Schwarze ja, aber keine Indianer.«
    »Wohin sind sie alle gegangen?«
    »Gegangen? Freiwillig hätten die Indianer ihre angestammten Gebiete niemals verlassen. Vor fünfzig Jahren war dies die Heimat der Sauk, Fox und Kickapoo. Nach einem Kriegszug hat man sie über den Mississippi vertrieben. Viele von ihnen leben in Reservaten, doch ab und zu verirrt sich noch mal einer hierher. Ich kenne einige Indianer, bin ja schon einige Jährchen hier. Sie sind nicht so übel, wie die meisten glauben. Ist wie bei allen Menschen, gibt gute und schlechte. Die Indianer sind arm dran. Sie genießen das gleiche Ansehen wie die Zigeuner.«
    Lea hörte die Trauer in der Stimme des Mannes. Sie versuchte das Thema zu wechseln. »Ich bin heute mit dem Flussdampfer angekommen und stelle gerade fest, das Quincy so ganz anders ist als New Orleans oder St. Louis.«
    »Es gibt weniger Nobles und dafür mehr Buntes.«
    »Das Leben scheint hier irgendwie wilder zu sein.«
    »Gefährlicher ist es außerdem, das kann ich dir flüstern. Jeder ist sich selbst der Nächste und muss für seinen eigenen Schutz sorgen.« Der Alte klopfte auf das Messer an seinem Gürtel. »In Quincy trägt man auf der Straße einen Dolch oder eine Pistole bei sich. Ich würde dir raten, abends nicht auszugehen. Dann rennen hier eine Menge Galgenvögel herum.«
    »Vielen Dank für den Hinweis.«
    »Du fragst dich sicher, wer ich bin.« Er zog seinen Hut. »Hardy, immer zu Diensten, wenn dir der Sinn danach steht, eine Reise in die Prärie zu machen und du den Wagen mit Kerzen, Salz, Bohnen, Mehl und einigen Ballen Stoff teilen magst. Hab ein Gespann mit acht Ochsen und kann den morgigen Tag kaum noch erwarten. Dann ziehe ich wieder los. Die Stadt ist mir zu laut und zu voll.«
    Lea stellte sich nun ihrerseits vor.
    »Woher wussten Sie eigentlich, dass ich Deutsche bin?«
    »Du hast vorhin ›hier muss es sein‹ gesagt.«
    Lea seufzte. »Ach herrje. Jetzt fange ich schon an, Selbstgespräche zu führen.«
    »Hat mich auch verwundert. Wenn ich einsamer Ochsentreiber so durch die Prärie fahre, dann spreche ich auch gelegentlich mit mir selbst oder den Tieren. Aber ein junges Mädchen … «
    »Ach ja, Sie befahren die Prärie«, unterbrach Lea ihn und kramte in ihrer Tasche nach Rebekkas Anschrift. »Liegt das auf Ihrem Weg?«
    »Das mit dem Sie spar dir mal, mein Kind. Ich bekomme davon immer Kopfweh.« Hardy nahm den Zettel. »Zu Joris willst du. Ja, ich kann die Farm anfahren.«
    »Du kennst ihn?«
    Der Ochsentreiber musterte sie lange. »Nach all den Jahren kenne ich jeden Stein meines Weges und jede Farm, an der ich vorbeikomme. Allerdings nehmen er und sein Bruder meine Dienste eher selten in Anspruch. Arne fährt häufig selbst in die Stadt. Übrigens wirst du ihn nicht auf der Farm antreffen.«
    »Ich weiß.«
    Bevor Lea ihn nach Rebekka fragen konnte, knuffte ein älterer Mann Hardy in die Seite.
    »He, alter Ochsenknecht. Bill hat bei mir einige Kuriositäten für seinen Laden bestellt. Hast du noch Platz auf deinem Wagen?«
    »Aber sicher doch.« Ein Tabakstrahl schoss an ihm vorbei.
    Hardy schien es eilig zu haben, das Geschäft abzuwickeln. Er vereinbarte mit Lea einen Treffpunkt für die morgige Abfahrt und trollte mit seinem Auftraggeber davon.
    Erleichterung

Weitere Kostenlose Bücher