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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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uns nicht streiten«, bat Lea erschöpft.
    Bell strich ihr über den Arm. »Wir streiten doch nicht. Wir unterhalten uns und tauschen Meinungen aus. Das ist etwas Anregendes, so wie ein gutes Kartenspiel. Und Lea, du gefällst mir, wenn du so kämpferisch bist. Das erinnert mich an Bremen und wie du diese beiden Schnüffler davon abgehalten hast, in dein Hotelzimmer zu kommen.«
    Lea lächelte. »Wie lange das her ist. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Bremen! Damals erschien mir die Stadt so groß und gefährlich. Aber im Gegensatz zu New Orleans ist Bremen zahm wie ein Kätzchen.«

6
    S chwarzer Rauch stieg aus den beiden Schornsteinen des ablegenden Dampfers und wehte wie eine Fahne hinter der Champion her. Vom Schaufelrad am breiten Heck angetrieben, fuhr das Schiff den Mississippi hinauf.
    Mit jeder Meile verlor sich mehr und mehr das bedrückende Gefühl, das sich Lea in New Orleans bemächtigt hatte. Der Mississippi trug sie fort, brachte sie Rebekka näher.
    Kiefern und Zypressen säumten die Ufer des Flusses und gaben ihm einen Rahmen aus sattem Grün. Der Steuermann stand vorne auf dem obersten Deck, in einem kleinen offenen Häuschen, wo er freie Aussicht hatte. Die Champion glitt an riesigen Baumwollplantagen und Zuckerrohrfeldern vorbei. Das monotone Stampfen der Maschinen wirkte betäubend, und nach der letzten unruhigen Nacht schlief Lea schon am frühen Abend erschöpft ein.
    Am nächsten Tag steuerte das Dampfschiff einen kleinen Anlegeplatz an, eine riesige Menge von Holzscheiten wurde an Bord verfrachtet.
    »Bis St. Louis werden wir einen halben Wald verfeuert haben!«, rief der Heizer.
    Im Dunkeln lotete der Raddampfer die Fahrrinne im Schein von Laternen aus. Die Nächte auf dem Mississippi hatten etwas Zauberhaftes an sich. Der gewaltige Strom, der zu anderen Zeiten ganze Waldstücke fortzuwälzen vermochte, flutete geruhsam dahin wie eine majestätische Kraft aus der Urwelt. Mondglanz lag über den grauen weiten Gewässern, die Maschine stöhnte und wühlte in einem fort, der Wind zischte im Tauwerk und knarrte um die Rauchschlote, aus denen die Funken wie Feuerfliegen stoben.
    Ab und zu zeigten sich am Ufer helle Punkte, vielleicht Hütten. Manchmal sahen sie auch in der Ferne über dem Wasser Lichter. Zumeist gehörten diese zu anderen Dampfschiffen, die an der Champion vorbeiglitten. Deren Glutöfen glichen feurigen Ungeheuern.
    Je weiter sich das Schiff von New Orleans entfernte, desto kühler wurde es. Die drückende Hitze ließ nach, und ein frischer Luftzug umwehte den Dampfer. Tag für Tag legten sie Meile um Meile auf dem Mississippi zurück, nahmen Fracht und Passagiere auf, während andere Reisende von Bord gingen.
    Raubvögel zogen ihre Runden in großer Höhe über dem Wasser oder den Waldungen. Einmal, als sie nahe am Ufer vorbeikamen, bemerkte Lea einen ertrunkenen Hirsch, der halb aus Schlamm und Wasser hervorragte.
    Endlich, als Lea schon glaubte, es nicht mehr abwarten zu können, erreichten sie St. Louis.
    An den Kais lagen über zwanzig Dampfboote, die von der Betriebsamkeit der Stadt kündeten. St. Louis schien auf den ersten Blick nur aus weiß getünchten Häusern, Warenlagern und Handwerkerbuden zu bestehen, doch später entdeckten Lea und Bell die eleganteren Viertel. Die Straßen des älteren Stadtkerns waren eng und verwinkelt, jene auf der Anhöhe jedoch breit und luftig. Lea war beeindruckt von den wunderschönen Steinhäusern, den imposanten Kirchen und der Stadthalle mit dem Marktplatz im Erdgeschoss. Das Leben und Treiben jedoch fand seinen Mittelpunkt am Mississippi.
    Die beiden Frauen mieteten sich in einem am Fluss gelegenen Gasthaus ein. Bell fand noch vor Ende des Tages eine Anstellung in einem der vielen Saloons in der Nähe des Landungsplatzes.
    Die wenigen Tage bis zum Abschied vergingen schnell – und schließlich kam der letzte Abend. Lea beschloss, Bell im Paradies zu besuchen.
    Aus dem Lokal fiel helles Licht in die Nacht. Lea blieb unentschlossen stehen. Der Lärm aus dem Saloon übertönte das Heulen des Windes. Frauengelächter, Gläserklirren und Klavierspiel klangen zu Lea herüber. Pferde und Maultiere standen am hölzernen Geländer festgebunden. Ihre Hinterlassenschaften stanken fürchterlich.
    Lea verzog das Gesicht und trat entschlossen durch die Saloontür. In dem großen Gastraum, dessen Fenster zur Straße ging, sah sie eine Bar mit langem Tresen, eine Bühne und etliche runde Tische mit gemütlicher Bestuhlung.
    »Los, komm herein.

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