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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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soll ich über die deutschen Einwanderer und die neue Mühle berichten. Die erste weit und breit. Und ich werde der Erste sein, der dieses Bauwerk fotografiert. Der Beitrag und die Bilder sollen eine ganze Seite in der Illustrierten Mannigfaltigkeit füllen.«
    Lea konnte ihre Neugier nicht länger zügeln. »Woher kennt Sie Joris?«
    »Er ist mir auf dem Schiff begegnet, damals bei seiner Einwanderung nach Amerika. Nach einer Weile merkten wir, dass unsere Ansichten sich ähnelten. Und so begann eine Freundschaft, die immer tiefer wurde. Doch vielleicht sollte er Ihnen auch davon selbst erzählen. Lea, darf ich Ihnen, um die Wartezeit zu verkürzen, einige meiner Bilder zeigen?«
    »Gerne.«
    Der Fotograf hob einen Finger und bedeutete ihr zu warten. Er ging in Joris’ Zimmer und erschien kurze Zeit später mit einem Koffer.
    »Ich habe Fotografien aus Italien dabei. Ein zäher alter Bursche dort, reich ist er außerdem, versorgt die Mannigfaltigkeit mit fabelhaften Artikeln über das Leben, die Kunst und Natur. Ich habe passende Bilder dazu aufgenommen.« Er legte eine Fotografie vor ihr auf den Tisch, die Männer auf Pferden zeigte. Sie trieben Ochsen vor sich her und hielten lange Lanzen in den Händen.
    »Büffelhirten, die wildes Vieh in die Städte treiben. Das geschieht einmal jährlich in der Gegend von Kalabrien. Und hier.« Er zog die nächste Aufnahme hervor. »Das ist eine Gondel. Sie ersetzt in Venedig Wagen und Pferde. In der von unzähligen Kanälen durchschnittenen Lagunenstadt sind die Straßen oft nur zwei bis drei Fuß breit und werden ausschließlich als Gehwege benutzt.«
    Staunend blickte Lea auf das schmale Boot und den Führer, der stehend und mit einem einzigen Ruder das Gefährt fortbewegte. Nikolas Holzbart zeigte ihr Männer an einem See, die mit sechszackigen Speeren fischten, Frauen in Trachten und Arbeiter bei der Weinernte.
    »Italien ist wunderschön, insbesondere die Frauen.« Er küsste seine Fingerspitzen. Dann wurde sein Gesicht wieder ernst. »Nach dem Auftrag dort bin ich wieder hierher nach Amerika gefahren. Im Süden habe ich Schwarze fotografiert und komme jetzt aus den Reservaten.«
    Er breitete Bilder vor ihr aus, auf denen Indianer zu sehen waren, die Land pflügten. Einer stand mit geneigtem Kopf da.
    »Sie reißen den Boden auf und entschuldigen sich für die Schmerzen, die sie dem Land dabei zufügen. Die Indianer singen Lieder, um die Geister für eine gute Ernte gnädig zu stimmen.«
    Der Fotograf griff erneut in seinen Koffer. Für einen Augenblick glaubte Lea, Unschlüssigkeit auf seinem Gesicht lesen zu können, doch dann zog er weitere Aufnahmen heraus und legte sie ohne ein Wort vor ihr aus. Die Bilder mussten auf den Plantagen gemacht worden sein. Lea sah wie gebannt in die Gesichter der Schwarzen. Sie erkannte den Ausdruck wieder, den sie bei der jungen Frau auf der Auktion gesehen hatte.
    »Sie haben das Leid der Menschen eingefangen«, murmelte sie.
    »Richtig. Ich habe diese Fotografien zum Teil heimlich machen müssen. Nicht jeder Sklavenbesitzer will sein Tun festgehalten wissen.«
    Lea hörte die unterdrückte Erregung des Fotografen. »Das ist einer der Gründe, warum ich … «
    Er verstummte und wies mit dem Finger nach draußen. »Joris kommt!«
    Der Zweispänner näherte sich. Joris sprang vom Wagen, schirrte die Pferde ab und betrat kurz darauf den Raum. Er trat auf sie zu – und für einen Augenblick glaubte Lea, er würde sie in die Arme schließen, doch Joris ergriff nur ihre Hände.
    »Ich sehe, du hast Nikolas schon kennengelernt.«
    »Nicht nur das, Joris. Lea weiß auch über andere Dinge Bescheid.« Schnell setzte der Fotograf seinen Freund ins Bild.
    Joris schüttelte seufzend den Kopf. »Verdammt! Wären wir doch nur gleich zum Versteck gefahren.«
    Lea spürte, wie sie wütend wurde. Sie löste ihre Hände aus seinen. »Glaubst du etwa, ich kann kein Geheimnis für mich behalten?«
    »Natürlich nicht. Ich wollte dich nur nicht in Gefahr bringen, Lea. Jetzt ist es wohl zu spät. Wie ich dich kenne, wirst du keine Ruhe geben, bis du alles bis ins Kleinste weißt. Also Lea, es gibt ein Netzwerk von Gegnern der Sklaverei, die Flüchtlinge aus den Südstaaten bis nach Kanada bringen. Geheime Routen, Schutzhäuser, Botschaften, die nur der Organisation bekannt sind, und Fluchthelfer. Nikolas ist einer von ihnen. Von Zeit zu Zeit reist er quer durch Amerika und kann Flüchtlinge begleiten.«
    »Wie funktioniert das genau?«
    »Erzähl du es

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