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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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die einem das Herz aufgehen lassen!«
    Nikolas hielt sein Versprechen nach dem zweiten Whisky. Lea sah den Mississippi, befahren von unzähligen Flussdampfern. Sie glaubte, den Rauch aus den Schornsteinen emporsteigen zu sehen. Nikolas Holzbart hatte die Feuermänner auf den Schiffen, Farmer bei der Ernte, Schafe auf den Weiden und Viehtreiber auf Pferden fotografiert. Es war die letzte Aufnahme, die Leas Atem stocken ließ. Vor ihr erstreckte sich die Prärie. Das Gras und die Blumen schienen sich im Wind zu wiegen. Wolken trieben ihre Schatten und der Himmel wölbte sich wie beschützend über das Land.
    Bewegt griff Lea nach Nikolas’ Arm. »Du bist ein Zauberer. Niemals zuvor habe ich solche Fotos gesehen. Ich komme von Wangerooge, einer Insel, auf der sich im Sommer reiche Gäste tummelten. Das lockte eine Menge Fotografen an. Doch ihre Bilder gleichen deinen nicht im Geringsten. Die Damen und Herren wirkten auf ihnen wie steife Puppen. Bei dir lebt alles!«
    »Die Leser der Mannigfaltigkeit sollen erleben, wovon ich berichte. Sie sollen mit den Sklaven leiden und die Indianer in ihren Reservaten sehen. Ich will ihnen vor Augen führen, was aus den Menschen geworden ist, die hierher ausgewandert sind, wie sie leben und arbeiten.«
    Er sprang auf und breitete die Arme aus. »Amerika ist so groß. Es gibt unendlich viel zu entdecken und zu berichten. Ich will all dies über das große Wasser tragen. Wisst ihr, die Menschen dort lechzen nach Berichten über den Fernen Westen . Das Wort wirkt auf sie wie ein Zauberwort, dessen Anziehungskraft sie nur schwer widerstehen können. Schon allein aus diesem Grund widmet sich die Illustrierte diesem Thema. Es wird den Verkauf in die Höhe treiben.«
    »Ach, ich würde nur zu gerne deine Berichte lesen«, sagte Lea verzückt.
    Ihre Worte schienen Nikolas einen Dämpfer zu versetzen. Er ließ sich langsam wieder auf seinen Stuhl nieder. »Tja, das mit den Berichten ist der Haken an der Sache. Schreiben ist nichts, was ich wirklich gut kann. Es fehlt mir noch ein guter Mann für die Texte. Ohne die richtigen Worte nützt auch die beste Aufnahme nichts. Ich habe versucht Mitarbeiter der deutschen Zeitungen in Quincy und St. Louis abzuwerben, jedoch ohne Erfolg. Und das ist nicht mein einziges Problem. Der Verleger der Illustrierten Mannigfaltigkeit, Paul Winterhaupt, wünscht in einer der nächsten Ausgaben die Geschichte einer jungen Frau herauszubringen, die ganz alleine nach Amerika ausgewandert ist und hier ihr Glück gemacht hat.« Resignierend hob er die Hände. »Alle Auswanderer, mit denen ich gesprochen habe, sind als Familien angereist und wurden größtenteils schon von Verwandten erwartet. Wo, um Himmels willen, soll ich solch eine Person ausfindig machen, die auch noch spannend schreiben kann?«
    Lea dachte an Rebekkas Briefe, ihre lebendigen Schilderungen und auch daran, dass Nikolas Holzbart schon so vielen Menschen geholfen hatte.
    »Ich könnte dir behilflich sein, wenn eine Reise von der Nordseeinsel Wangerooge nach Amerika das ist, was dein Verleger sich vorstellt. Es existieren auch Zeichnungen, die alles veranschaulichen. Wenn mit dem Glück ein beruflicher Erfolg verknüpft sein muss, dann kann ich damit nicht aufwarten. Ich arbeite bei Joris auf der Farm. Das ist alles.«
    Nikolas Holzbart war begeistert. »Du könntest mir wirklich helfen. Und wegen dem fehlenden Glück mach dir mal keine Sorgen. Du hast es vom einfachen Inselkind zur Schriftstellerin in Amerika gebracht. Zumindest werden wir es den Lesern so verkaufen. Das ist doch was!
    Ich habe unzählige Bilder auf meiner Reise in den Westen gemacht. In New Orleans habe ich die Auswandererschiffe fotografiert. An Illustrationen wird es also nicht mangeln. Wenn du noch Zeichnungen während der Reise gefertigt hast – umso besser. Und, Lea, es soll dein Schaden nicht sein. Die Mannigfaltigkeit verkauft sich so gut, dass der Herausgeber überlegt, das Blatt auch hier in Amerika zu vertreiben. Hier gibt es ja schließlich deutschsprachige Einwanderer genug. Der Verlagsinhaber hat mich gebeten, nach einem geeigneten Standort für die Druckerei Ausschau zu halten und Personal anzuwerben. Könntest du dir vorstellen, als Berichterstatterin bei uns mitzuarbeiten?«
    In Leas Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. Sie, Mitarbeiterin eines Bilderblattes? Das wäre ein Traum. Aber würde sie dem überhaupt gewachsen sein? Sie hatte immer schon gerne Geschichten erzählt, doch es war schließlich etwas

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